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Ungarisch-kroatischer Streit um Mineralölkonzern MOL

4. Oct. 2013

Nachdem sich die ungarische Regierung in den Disput zwischen Kroatien und dem Mineralölkonzern MOL eingeschaltet hat, glauben linke und gemäßigte Kommentatoren, dass die Orbán-Regierung nationale Interessen im Ausland nur verteidigen kann, wenn sie ihrer eigenen aktuellen Rhetorik gegenüber ausländischen Investoren im ungarischen Energiesektor komplett widerspricht.

Am Dienstag haben kroatische Behörden einen Interpol- sowie einen EU-Haftbefehl für Zsolt Hernádi beantragt, den CEO des ungarischen Mineralölkonzerns MOL. Diesem gehören fast 50 Prozent des Ölkonzerns INA. Die kroatischen Behörden verdächtigen Hernádi der Bestechung in Zusammenhang mit der Übernahme von INA-Anteilen durch MOL. Die ungarische Generalstaatsanwaltschaft kam dem Antrag der kroatischen Justiz nicht nach, Hernádi zu den Anschuldigungen zu hören, da die zur Verfügung gestellten kroatischen Dokumente keinen Beweis für ein Fehlverhalten erkennen lassen würden. Bereits im Juli hatte die kroatische Staatsanwaltschaft erfolglos die Befragung von Hernádi als Verdächtigten beantragt. Die ungarische Regierung hatte dagegen in einer offiziellen Verlautbarung protestiert. Sie erklärte zudem, dass Kroatien Einwände gegen die führende Rolle eines ausländischen Investors in einem strategischen Unternehmen haben könnte, jedoch seien “außer-wirtschaftliche” Handlungen inakzeptabel. Die ungarische Regierung beauftragte das Management von MOL zu untersuchen, ob und wie dessen Anteile an INA verkauft werden könnten. Außenminister Martonyi sagte unterdessen einen Kroatien-Besuch ab. Die ungarische Regierung betonte, dass MOL drei Millionen Euro in INA investiert habe, als dieses am Rande der Insolvenz stand. Der ungarische Staat selbst hält rund 25 Prozent Anteile an MOL.

„Wenn Ungarn den Ungarn gehört, sollte Kroatien den Kroaten gehören“, schreibt János Dési in Népszava. Der links zu verortende Kolumnist glaubt, dass sich die kroatische Regierung genauso verhält, wie es die ungarische getan hat: Sie will die Kontrolle über strategische Unternehmen von ausländischen Investoren zurückgewinnen, die das Land ausbeuten – zumindest nach Meinung der „politischen Demagogen“. Wenn die ungarische Regierung in der Lage sein sollte, Energie- und Stromdienstleiter zu renationalisieren, sollte sie nicht überrascht sein, wenn andere Staaten ebenso handeln, meint Dési.

„Die Situation ist ausgesprochen bizarr“, stellt Péter Magyari in 444 fest. Die ungarische Regierung, die ausländischen Regierungen selbst vorgeworfen habe, die ungarische Souveränität zu verletzen, wolle nun nationale Interessen schützen, indem sie sich in den Streit zwischen Kroatien und MOL einmische, macht Magyari klar. Er findet es befremdlich, dass die Orbán-Regierung angedeutet hat, sich an die EU wenden zu wollen, um die Interessen von MOL zu schützen. In der Vergangenheit nämlich war es dieselbe Regierung, die äußerst kritisch gegenüber dem Schutz von multinationalen Firmen durch die EU eingestellt war. Magyari glaubt, dass sowohl Ungarn als auch Kroatien bereit sind, nationale Interessen um jeden Preis zu verteidigen. Insofern sei Beständigkeit oder ein prinzipientreues Vorgehen von keiner Seite zu erwarten.

Népszabadság wiederum denkt, dass die Regierung im Moment genau die Politik verfolgt, die sie gegenüber großen ausländischen Energieanbietern in Ungarn angewendet hat.In ihrem Leitartikel auf der Titelseite findet die führende linke Tageszeitung die Entscheidung keineswegs überraschend, den Verkauf von INA-Anteilen, die sich im Besitz von MOL befinden, in Betracht zu ziehen. Mit der Aufgabe ihrer Interessen an einem strategischen Unternehmen im Ausland würde die Orbán-Regierung klarmachen, dass ausländische Investoren auf dem ungarischen Energiemarkt auf Dauer nichts zu erwarten haben.

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