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Rechtsextremer zum Bürgermeister gewählt

19. Dec. 2013

Regierungsfreundliche Kommentatoren bezichtigen die Demokratischen Koalition (DK) des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány der Bereitschaft, mit rechtsradikalen Organisationen zusammenzuarbeiten, wenn es um einen Sieg über den Fidesz geht. Einige liberale Beobachter sind ebenfalls der Ansicht, dass die gegen Orbán gerichtete Rhetorik der DK einige seltsame Nebenwirkungen zeitigen könnte, während andere darauf verweisen, dass örtliche DK-Spitzenfunktionäre ohne Wissen der Parteizentrale gehandelt hätten und sofort aus der Partei ausgeschlossen worden seien.

Ásotthalom liegt in einer sehr armen Region Ungarns nahe der Grenze zu Serbien. Die örtlichen Wählerinnen und Wähler haben sich bei landesweiten Wahlen stets für den Fidesz ausgesprochen. Allerdings hatte sich der 15 Jahre amtierende und vom Fidesz unterstützte Bürgermeister über kommunale Budgetkürzungen mit der örtlichen Fidesz-Führung überworfen. Die sozialistische Parteiorganisation der Ortschaft entschied sich unterdessen für die DK und für eine Unterstützung von László Torocszkai, den Chef der 64 Komitate (Hatvannégy Vármegye Ifjúsági Mozgalom), einer Organisation noch radikaler als Jobbik, aber mit der Partei liiert. Torocszkai war 2010 über die Jobbik-Liste zum Mitglied der Selbstverwaltung des Komitats Csongrád gewählt worden. Zudem gilt er als Organisator mehrerer rechtsextremer Gruppierungen, darunter auch eine verbotene paramilitärische. Zudem war er 2006 der Anführer einer gewalttätigen Demonstration gegen die Zentrale des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, nachdem die berühmt-berüchtigte „Lügenrede“ Gyurcsanys in Őszöd bekannt geworden war.

Keine der landesweit aktiven Parteien hatte einen offiziellen Kandidaten für die Bürgermeisterwahlen in Ásotthalom aufgestellt. Auch ist außer der DK keine weitere linke oder liberale Partei vor Ort vertreten. Torocszkai setzte sich mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gegen den amtierenden Fidesz-Bürgermeister durch. Die DK leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren gegen den örtlichen Spitzenfunktionär der Partei ein, der sich an die Seite von Toroczkai gestellt hatte. Der DK-Mann wird höchstwahrscheinlich die Partei verlassen müssen.

Gergely Ákos Balogh von Mandiner hält die Niederlage des ehemaligen Bürgermeisters für eine Überraschung, zumal sich Ásotthalom in der Vergangenheit stets für Kandidaten und Listen des Fidesz ausgesprochen hatte. Der Autor erinnert daran, dass amtierende Bürgermeister gewöhnlich nur schwer zu schlagen seien, vor allem von Gegenkandidaten „mit einer Vergangenheit so undurchsichtig wie die von Toroczkai“. Der besiegte Bürgermeister mag die Unterstützung von Fidesz verloren haben, zudem sei, so Balogh, die „Alles-außer- Fidesz“-Rhetorik der Opposition ein maßgeblicher Faktor gewesen – und Beleg für das Potenzial einer Allianz von Linken und Rechtsextremen.

Auch Magyar Nemzet wirft der Opposition Opportunismus vor: Ungeachtet aller antifaschistischen Rhetorik, so Szabolcs Szerető, gehe es in ihrer Strategie um einen Sieg über den Fidesz um jeden Preis. Falls sie tatsächlich an ihre eigene Rhetorik glaubte, fragt Szerető, weshalb habe sie ihre Anhänger nicht aufgefordert, das kleinere Übel zu wählen, beispielsweise den Fidesz? Keine Disziplinarmaßnahme der DK könne etwas an der Tatsache ändern, dass sich die lokale DK-Organisation – eine Gruppierung, die einen Monat vor der Wahl von der Sozialistischen Partei zur DK übergelaufen sei – auf die Seite der Rechtsextremen geschlagen habe. Die linksliberale Opposition habe all ihre Glaubwürdigkeit verspielt, so der Kommentator, nachdem sie ihre gesamte antifaschistische Munition gegen Fidesz und zuvor gegen das MDF verschossen habe. (Das MDF war die rechtskonservative Regierungspartei der Jahre 1990 bis 1994 – Anm. d. Red.) Abschließend resümiert Szerető: Das einzig positive Ergebnis dieses Urnenganges bestehe darin, dass aufgrund des neuen Wahlgesetzes Toroczkai nicht ins Parlament gewählt werden könne.

Zsolt Gréczy, Kolumnist und führendes Mitglied der DK, zieht aus der Wahl in Ásotthalom ganz andere Lehren. In seinem Blog Hírhatár macht er geltend, dass die „demokratische Opposition keinen Kandidaten am Start hatte und auch keinen hätte am Start haben können“, da die Sozialisten und Gemeinsam-PM in dieser Kommune nicht vertreten seien. Bei Toroczkai handele es sich um einen lokalen Arbeitgeber und seine Arbeitnehmer sowie auch deren Familien hätten „entweder spontan oder unter Druck“ für ihn gestimmt. Der Blogger fügt hinzu, die Abstimmung für Toroczkai sei auch ein Ausdruck von Opposition gegen den Fidesz gewesen. Wie dem auch sei: Wäre Toroczkai für seine Beteiligung am „Putschversuch“ 2006 verurteilt statt vom Fidesz begnadigt worden, hätte er sein Recht auf eine Kandidatur eingebüßt, macht Gréczy abschließend geltend. (2011 hatte das Parlament eine Generalamnestie für die Beteiligten an den gewalttätigen Ausschreitungen des Jahres 2006 beschlossen. Dutzenden unschuldigen Menschen waren Tätlichkeiten gegen Beamte vorgeworfen worden, allerdings war fünf Jahre nach den Ereignissen das tatsächliche Geschehen nur noch schwer zu ermitteln.)

In Népszabadság schreibt ein den Liberalen nahestehender Analyst, die „Bürgerkriegsrhetorik“ der DK mag einige merkwürdige Triebe sprießen lassen, doch wäre es ein Fehler, die örtlichen Gegebenheiten zu übersehen. Laut Gábor Filippov vom Ungarischen Progressiven Institut habe die „anarchische” Linke aus dem internen Kampf innerhalb des örtlichen Fidesz keinerlei Nutzen ziehen können. Doch wäre es unfair, die DK der Zusammenarbeit mit einer antisemitischen, rassistischen und gewalttätigen Figur zu bezichtigen, habe sie doch umgehend mitgeteilt, dass der lokale DK-Spitzenmann aus der Partei ausgeschlossen werde. Wenn sich dessen ungeachtet eine lokale DK-Gruppierung gegen die Parteilinie stellen könne, tauchten Zweifel an der Wirksamkeit der landesweiten DK-Parteiorganisation auf, vermerkt Filippov.

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