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Parlament modifiziert Fremdwährungskreditverträge

24. Mar. 2014

Mit Blick auf ein Urteil des Verfassungsgerichts sind sich Analysten aller Couleur einig, dass die Regierung die Verantwortung dafür trage, überschuldeten Familien zu helfen. Allerdings sei nach wie vor unklar, wie auf Fremdwährungen laufende Kredite ohne schwere wirtschaftliche Konsequenzen in Forint-Darlehen umgewandelt werden könnten.

In einem lange erwarteten Urteil hat das Verfassungsgericht am Montag festgestellt, dass der Gesetzgeber die Konditionen von Fremdwährungskrediten „unter außergewöhnlichen Umständen” auch rückwirkend verändern dürfe. Das Gericht schränkte aber ein, dass sämtliche Änderungen ursprünglich vereinbarter Vertragsbedingungen die Interessen beider Seiten berücksichtigen sollten. Auf Antrag des Obersten Gerichts Ungarns (Kurie) wird sich der Europäische Gerichtshof zur der Frage äußern, ob Banken das Recht haben, die Vertragsbedingungen einseitig zu modifizieren (vgl. BudaPost vom 18. Dezember 2013). Mit einem Spruch des EuGH wird nicht vor Mai dieses Jahres gerechnet. Regierungsvertreter begrüßten das Urteil und kündigten nach dem EuGH-Spruch eine Gesetzesinitiative zur Lösung des Fremdwährungskreditproblems an. Der Fidesz-Abgeordnete Gergely Gyulás erklärte, die Regierung habe nicht vor, die Stabilität des Bankensystems zu untergraben. So könnte die tatsächliche Umstellung der Kredite von Fremdwährungen in Forint Jahre in Anspruch nehmen. Der Staatssekretär für öffentliche Verwaltung und Justiz, Bence Rétvári, fügte hinzu, im Falle ihrer Bestätigung bei den Wahlen im April werde die Regierung ein Gesetz verabschieden, das die einseitige Veränderung von Zinssätzen verbietet. Auch sollen Ausgabe sowie Tilgung von Krediten auf Grundlage unterschiedlicher Wechselkurse unterbunden werden.

Nach dem Urteilsspruch des Verfassungsgerichts könne die Regierung nicht mehr länger zaudern und sollte etwas „jenseits aller Wahlversprechen“ unternehmen, fordert Károly Lencsés in Népszabadság. Der linke Kolumnist wirft dem Kabinett vor, lediglich wohlhabenderen Schuldnern Rettungspakete vorgeschlagen zu haben. Darunter zähle auch die Möglichkeit, Fremdwährungskredite zu einem günstigeren Wechselkurs zurückzahlen zu können. Aufgrund des schwächelnden Forint litten dagegen diejenigen Kreditnehmer, die ihre Darlehen nicht auf einen Schlag zurückzahlen könnten. (Gemäß einer Regelung unter der Bezeichnung „Wechselkurssperre“ können die Schuldner einen günstigeren Wechselkurs wählen und den Differenzbetrag auf ein separates Konto überweisen, ansammeln und später zurückzahlen, wobei der Mehrbetrag an Zinsen zu Lasten des Staates geht – Anm. d. Red.)

In Élet és Irodalom äußert sich Zsolt Ződi von dem Urteil alles andere als überrascht. Er glaubt, dass man vom Gericht nicht erwarten könne, so schwerwiegende soziale Fragen wie die der Fremdwährungskredite zu lösen. Diejenigen, die angedeutet hätten, das Verfassungsgericht könne Fremdwährungskreditverträge aufheben, hätten die Öffentlichkeit in die Irre geführt, notiert Ződi.

Geradezu empörend empfindet es Gergely Kiss, dass die Linke die Regierung in Sachen Fremdwährungskredite für zu inaktiv hält und deswegen kritisiert. In der Tageszeitung Magyar Nemzet verweist der konservative Kolumnist darauf, dass ungarische Familien auf hoch riskante Fremdwährungskredite zurückgegriffen hätten, nachdem die einstige sozialliberale Regierung das vom ersten Orbán-Kabinett eingeführte subventionierte Hypothekenprogramm kassiert hatte. Die Linke habe nichts getan, kritisiert Kiss, nicht einmal, als nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahre 2008 das Problem der Fremdwährungskredite offenbar geworden sei. Erschüttert sieht Kiss, wie die Linke, die die Regierung einer Zerstörung des Bankensystems bezichtigte, nunmehr sofortige Maßnahmen fordere, um sämtliche Schuldner zu retten, ohne jedoch dabei selbst irgendwelche spezifischen Vorschläge zu unterbreiten.

In der gleichen Tageszeitung beklagt Anna Kulcsár, es sei unglaublich schwer zu sagen, wie sich das Problem der Fremdwährungskredite ein für allemal lösen ließe. Die Gerichtsurteile machten klar, dass die Verträge gültig seien und dass jede im Nachhinein verabschiedete gesetzgeberische Maßnahme die Interessen sämtlicher Beteiligter, darunter die Banken, gegeneinander abwägen sollte. Kulcsár schlägt vor, dass die ganze Frage als soziales und Wohlfahrtsproblem betrachtet und – dementsprechend – öffentliches Geld eingesetzt werden sollte, um Fremdwährungskredite in Darlehen auf Forint-Basis umzustellen.

Obgleich das Gericht bestimmt habe, dass die Verträge auch nachträglich verändert werden könnten, werde im Urteil verlangt, dass die Modifikation von Kreditvereinbarungen die Interessen aller Beteiligten im Blick haben müsse, schreibt Bea Bakó in Mandiner. Das Gericht habe keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, wie „unter außergewöhnlichen Umständen“ zu interpretieren sei und wie die gegensätzlichen Interessen von Banken, Schuldnern und Steuerzahlern in jedem Einzelfall ausgeglichen werden sollten. Bakó hält es für verständlich, dass sich Wochen vor den Parlamentswahlen Politiker entschlossen zeigten, den Schuldnern zu helfen. Allerdings ist die Autorin auch unsicher, ob die mit Fremdwährungskrediten im Zusammenhang stehenden Probleme mittels gesetzgeberischer Maßnahmen zu lösen seien.

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