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Schottisches Referendum im Blickpunkt

22. Sep. 2014

Linke und rechte Kommentatoren stimmen darin überein, dass das schottische Unabhängigkeitsreferendum ein Sieg für die Demokratie gewesen sei. Auch glauben sie, dass Schottland trotz der Niederlage der Unabhängigkeitsbewegung künftig in den Genuss größerer Autonomierechte gelangen werde. Rechten Kolumnisten erscheint klar: Das Referendum ist beispielgebend für andere nationale Minderheiten, darunter auch ethnische Ungarn in den Nachbarländern.

Für Éva Lelkes war die schottische Volksabstimmung das Zelebrieren von Demokratie. In Népszava verweist die linksorientierte Kolumnistin darauf, dass die Schotten sowohl angesichts der Wahlbeteiligung von 85 Prozent als auch vor dem Hintergrund des zivilisierten Verhaltens von Siegern und Besiegten allen Demokratien ein Beispiel vorexerziert hätten. Obgleich das Referendum gescheitert sei, werde Schottland in den Genuss umfangreicherer Autonomierechte gelangen, ist die Autorin überzeugt und stellt fest: Angesichts der Befürchtung, die Abspaltung Schottlands würde eine Kettenreaktion in Europa auslösen, sei europäischen Spitzenpolitikern ein Stein vom Herzen gefallen.

„Die Schotten haben eher auf ihren Verstand und weniger auf ihr Herz gehört“, kommentiert Veronika R. Hahn in Népszabadság den Ausgang des Referendums. Hahn erinnert daran, dass Aktivisten und Parteien des Unabhängigkeitslagers überwiegend symbolträchtige Ziele im Auge gehabt und behauptet hätten, die Abspaltung ergebe sich aus dem Nationalstolz. Die Wählerinnen und Wähler hingegen hätten sich mehr um die ungünstigen wirtschaftlichen Folgen einer Unabhängigkeit als um Nationalstolz gesorgt. Auch Hahn glaubt allerdings, dass sich das Vereinigte Königreich nach dem Referendum auf dem Wege hin zu einem lockereren Staatenbund befinde. Zudem werde das gescheiterte Referendum die britische Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft im Jahre 2017 beeinflussen, da das schottische Wahlvolk das Pro-EU-Lager stärken werde.

In Magyar Nemzet bezichtigt Zoltán Kottász das Unionslager der Panikmache. Für den konservativen Beobachter ist klar, dass die Ängste vor einer wirtschaftlichen und politischen Isolation, die die Unabhängigkeit Schottlands bedrohen würde, haltlos gewesen seien. Dennoch hätten diese Ängste den für den Verbleib in der Union eintretenden Parteien bei der Mobilisierung von Wählern geholfen. Zugleich jedoch habe das pro-britische Lager die Zahl der für die Unabhängigkeit votierenden Proteststimmen auf eine Rekordzahl erhöht. Ungeachtet der in den Augen Kottász’ unfairen Wahlkampagne für den Verbleib in der Union lobt er die Bereitschaft der Regierung, dem Referendum im Namen der Demokratie grünes Licht gegeben zu haben.

Gábor Balogh von Jobbegyenes vertritt den Standpunkt, dass ungeachtet seines Scheiterns das Referendum allen Vielvölkerstaaten Europas eine deutliche Botschaft übermittelt habe. In direktem Verweis auf die rumänische Verfassung fordert der radikale Blogger sämtliche multiethnischen Staaten auf, nicht auf dem „aus dem 19. Jahrhundert stammenden Konzept“ eines „einheitlichen und unteilbaren Nationalstaates“ zu beharren. Balogh glaubt, dass auch andere Minderheitenregionen, darunter die Székler-Gebiete in Rumänien, ebenfalls das Recht haben sollten zu entscheiden, ob sie Teil einer anderen Nation bleiben wollten.

„Das schottische Referendum kann andere um ihre Unabhängigkeit kämpfende Völker ermutigen“, behauptet Lehel Kristály in Magyar Hírlap. Der konservative Autor sieht in dem schottischen Referendum einen Präzedenzfall, in dessen Folge keine Regierung in Europa nationalen Gruppen das Recht auf Selbstbestimmung verwehren könne. Wenn Schottland habe über seine Unabhängigkeit abstimmen können, könnten weder Paris noch Bukarest oder Bratislava eine derartige Möglichkeit verweigern, „da jede Minderheit das Recht habe, über ihr eigenes Schicksal zu befinden“, glaubt Kristály.

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