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Merkel kam – und alle sind zufrieden

4. Feb. 2015

Linke und rechte Kommentatoren ziehen unisono positive Bilanzen des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel – jedoch aus unterschiedlichen Gründen. Während die Vertreter des linken Spektrums glauben, die Kanzlerin habe Ministerpräsident Orbán einen Denkzettel verpasst, sehen ihre Kollegen auf der anderen Seite den Besuch Merkels als Zeichen der grundsätzlichen Einigkeit ungeachtet einiger Differenzen bei bestimmten Themen.

Er sei positiv überrascht gewesen von der „kritischen Haltung“ Merkels gegenüber der Politik der ungarischen Regierung, schreibt Róbert Friss in Népszava. Die gemeinsame Pressekonferenz der Regierungschefs beschreibt er als „Veranstaltung ohne ein Lächeln“ und kommt zu dem Schluss, dass die Kritiker der ungarischen Regierung von der Kanzlerin mehr Ermutigung erfahren hätten, als sie sich hätten träumen lassen.

Einen ähnlichen Ton schlägt Iván Sztojcsev in Világgazdaság an. Der Besuch der Kanzlerin habe die gespannte Beziehung zweier im Prinzip verbündeter Länder zum Ausdruck gebracht. Er zitiert Merkels Äußerung auf der Pressekonferenz zur Bedeutung der Medien, der Opposition und der Zivilgesellschaft sowie auch ihre Verteidigung der liberalen Demokratie, was der Veranstaltung „einen eigentümlichen Flair“ verliehen habe – selbst wenn sich erst nach einer geraumen Zeit herausstellen werde, was wirklich hinter den Kulissen geschehen sei, fügt der Autor hinzu.

Frau Merkel habe der Opposition „keine Geschenke mitgebracht, egal wie sehr diese auch darauf erpicht sei, die Orbán-Regierung mit ausländischer Hilfe zu stürzen“, ätzt im Gegensatz dazu Gyula T. Máté in Magyar Hírlap. Die zwei Länder orientierten sich an der selben nüchternen Grundhaltung, keine Waffen an die Ukraine zu verkaufen, anders übrigens als „ihre polnischen Kollegen, die enthusiastisch der amerikanischen Linie folgen“, erklärt der Autor. Die erfolgreiche Zusammenarbeit werde laut Máté nicht „von den Adjektiven, die beide Seiten zur Beschreibung der Demokratie nutzen“, behindert.

„Merkel hat es nicht zugelassen, sich in den Morast der ungarischen Innenpolitik ziehen zu lassen“, hebt Gábor Stier in Magyar Nemzet hervor. Nun, da Ungarn „auf der geopolitischen Landkarte als ein Frontstaat eingezeichnet ist“, sei sie gekommen, um über Wirtschaftsbeziehungen und internationale Themen zu sprechen, aber auch, um „unterschiedliche Akzente“ zu verdeutlichen. Der Autor gibt zu, dass jüngste Äußerungen der ungarischen Seite „als Hinweis darauf missverstanden werden könnten, dass Ungarn einen Sonderweg eingeschlagen hat“. Nun aber habe sich die deutsche Kanzlerin selbst davon überzeugen können, dass Ungarn beim Thema Russland nicht auf Konfrontationskurs zu Europa liege, sondern gegenüber Moskau lediglich einen pragmatischen Ansatz verfolge.

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