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Weiter Verbitterung über Biszku-Urteil

4. Jun. 2015

Kolumnisten des rechten Spektrums richten ihre Empörung in Richtung Berufungsgericht, das die erstinstanzlich gegen den ehemaligen kommunistischen Spitzenpolitiker Béla Biszku verhängte Gefängnisstrafe kassiert hatte. Biszku steht wegen seiner Rolle bei den Vergeltungsmaßnahmen nach dem Volksaufstand von 1956 vor Gericht. Ein Strafrechtsexperte hingegen hält das Urteil für fundiert. Es signalisiere eine Niederlage der Justiz. Ein Kommentator des linken Spektrums beschwichtigt und konstatiert, auch ohne Urteil träfe Biszku Verachtung.

In Magyar Nemzet merkt Tamás Pilhál an, dass der „Buchhalter von Auschwitz”, Oskar Gröning, der beim Horror eine eher unbedeutende Rolle gespielt habe, vor Gericht stehe und noch als 93-Jähriger verurteilt werde. In Ungarn dagegen seien die Gerichte unfähig, eine der Schlüsselfiguren kommunistischer Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verurteilen.

Für László Néző ist es ein „Weltskandal”, dass im Laufe von 25 Jahren nach dem Fall des Kommunismus lediglich ein einziges Gerichtsurteil gegen kommunistische Führungskräfte ergangen sei, das diesen Namen auch verdient habe. In Napi Gazdaság schreibt Néző, es sei empörend, dass Spitzenfunktionäre, die das Leben von Zehn- und Hunderttausenden ruiniert hätten, am Monatsbeginn statt auf Polizisten mit Handschellen auf den Geldbriefträger mit ihrer Sonderrente warten würden.

Ádám Gellért, ein Experte für internationales Strafrecht, pflichtet dem Urteil des Berufungsgerichts bei und konstatiert, dass die Anklage höchst unprofessionell gearbeitet habe. Die Justiz habe es in den vergangenen Jahren versäumt, Verbrechen aus der Zeit des Kommunismus gründlich zu untersuchen, obwohl zahlreiche Beweise in den Archiven lägen, moniert Gellért auf Mandiner. In diesem Fall, so die Hoffnung des Verfassers, sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.

Alle Versuche, schlüssige Urteile über greise Angeklagte zu sprechen – egal ob Nazis oder Kommunisten –, seien gescheitert, notiert Péter Cseri in Népszabadság. Grund dafür sei die Schwierigkeit, für mehrere Jahrzehnte zurückliegende Verbrechen eindeutige Beweise zu präsentieren. Andererseits werde Biszku auch ohne rechtsgültiges Urteil mit öffentlicher Verachtung gestraft, schließt der Autor.

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