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Golden Globe für Son of Saul

13. Jan. 2016

Die Kommentatoren freuen sich unisono über den beispiellosen Erfolg eines ungarischen Films, sinnieren aber zugleich über die Glückwünsche des Ministerpräsidenten sowie antisemitische Ausfälle von Lesern der Facebookseite Viktor Orbáns.

Im Leitartikel auf der Titelseite von Népszabadság werden die Schöpfer des ersten ungarischen Golden Globe-Gewinnerstreifens gelobt, weil sie das Thema Auschwitz aus einem neuen Blickwinkel betrachtet und mit dem herkömmlichen Narrativ gebrochen hätten. So werde gezeigt, dass menschliche Seelen in den Nazi-Todeslagern bereits eine geraume Zeit vor ihrer physischen Vernichtung ermordet worden seien. Die linke Tageszeitung zitiert aus dem Facebookeintrag von Ministerpräsident Viktor Orbán, in dem er den Filmschaffenden seine Glückwünsche übermittelt und schreibt: Wenn sich Talente frei entwickeln dürfen, gibt es nichts Unerreichbares. Dazu der sarkastische Kommentar von Népszabadság: „Wir würden gerne in einem solchen Land leben.“

István Pion von Magyar Nemzet bekennt sich zu seiner persönlichen Beteiligung an der Herstellung des Films, in dem er die Rolle eines heimlich fotografierenden KZ-Insassen gespielt hatte. Der Film, so schreibt Pion, habe seine Perspektive verändert. Sei es zunächst für ihn ganz normal gewesen, dass sich jede Gemeinschaft lediglich um die eigenen vergangenen Leiden kümmere, rate er nunmehr jedem, auch die Trauer von anderen Gemeinschaften zu teilen. Diese Bemerkung ist eine Reaktion auf die mehr oder weniger offen antisemitischen Einträge von Lesern des Orbán’schen Facebookeintrags. In rund einem Drittel der bis Dienstagmorgen geposteten 265 Kommentare wird Missfallen über den Erfolg „einer weiteren Holocaust-Geschichte“ geäußert. Konsequenterweise rät Pion seinen Lesern abschließend, sie sollten „niemals die Kommentare von Lesern lesen“.

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