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Dissonanzen beim EU-Migrationsgipfel

22. Feb. 2016

Kommentatoren beider politischen Lager vertreten die Ansicht, dass sich die Krise der Europäischen Union weiter zuspitzen werde, falls die Mitgliedsländer lediglich ihre nationalen Eigeninteressen verfolgen sollten. Uneinigkeit herrscht dagegen in der Frage, ob die Krise durch eine Stärkung der nationalen Souveränität der einzelnen EU-Staaten oder mittels weiterer Zentralisierung überwunden werden sollte.

Die EU habe sich von ihrer schlimmsten Seite präsentiert. Mit diesen Worten kommentiert Áron Kuthi in Magyar Nemzet den am Freitag abgehaltenen EU-Gipfel. Der konservative Kolumnist hält es für beängstigend, dass sämtliche Parteien skrupellos ihre eigene Agenda hätten durchdrücken wollen. Als ein Beispiel erwähnt Kuthi den italienischen Ministerpräsidenten Renzi, der den Visegrád-Staaten (V4) mit einer Kürzung ihrer Finanzausstattung gedroht hatte, falls sie sich nicht am Quotensystem zur Verteilung der Flüchtlinge beteiligen sollten. Schlussfolgernd schreibt Kuthi, die Migrationskrise der EU könne lediglich durch eine Sicherung der Unions-Außengrenzen überwunden werden, damit die einzelnen EU-Staaten nicht gezwungen seien, Probleme einfach an den nächsten weiterzureichen.

Auch im Leitartikel auf der Titelseite von Népszabadság wird kritisiert, dass sich der EU-Gipfel offenbar in einen Pferdemarkt verwandelt habe. Anstatt gemeinsame Lösungen für das Migrationsproblem zu suchen, seien die Staats- und Regierungschefs lediglich um ihre jeweils eigenen nationalen Interessen besorgt. Bei diesem Feilschen der nationalstaatlichen Akteure gingen die gemeinsamen EU-Interessen verloren und die Krise der Union werde sich verschärfen, notiert die führende linksorientierte Tageszeitung.

In Népszava verweist Mária Gál darauf, dass die von Matteo Renzi den V4 angedrohte Kürzung von Entwicklungsgeldern abwegig sei. Gemäß dem aktuell gültigen EU-System existierten keine wirksamen Maßnahmen, um diejenigen Staaten zu bestrafen, die die Last der Solidarität gegenüber anderen EU-Mitgliedern nicht schultern wollten. Laut Gál sind die Drohungen von Ministerpräsident Renzi ein klarer Hinweis darauf, dass die Kernstaaten der Union bereit seien, im Sinne der Rettung der Gemeinschaft eine weitere Zentralisierung des Entscheidungsprozesses zu forcieren.

Brüssel versuche mit Hilfe des Stichworts Solidarität die Visegrád-Staaten in die Unterwerfung zu zwingen, ärgert sich Zoltán Kottász in Magyar Idők. Für den regierungsfreundlichen Kommentator bedeutet die von den Kernstaaten der Union verfochtene Solidarität in der Praxis, dass sämtliche Mitgliedsländer dem zustimmen sollten, was der EU-Kern diktiere. Kottász erinnert daran, dass sich die gleichen westlichen EU-Länder, die sich gegenüber Griechenland und weiteren schwer von der Finanzkrise gebeutelten Staaten an der Peripherie als unsolidarisch erwiesen hätten, die Ungarn sowie andere die Verteilung von Migranten verweigernde Visegrád-Staaten verunglimpfen und ausgrenzen wollten.

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