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Viktor Orbán bei Wladimir Putin

19. Feb. 2016

Mit Blick auf den Besuch des ungarischen Regierungschefs beim Präsidenten Russlands argwöhnen linke Kommentatoren, dass Putin mit Hilfe Budapests eine Aufhebung der EU-Sanktionen erreichen wolle. Regierungsfreundliche Kolumnisten wiederum gehen davon aus, dass Orbán im Kreml ganz pragmatisch ungarische Interessen vertreten habe.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz nach ihrem Treffen am Mittwoch in Moskau bestätigten sowohl der russische Präsident Putin als auch der ungarische Ministerpräsident Orbán, dass sich die bilateralen Beziehungen ihrer Länder in einem ausgezeichneten Zustand befänden. Beide waren sich über eine Verlängerung des gegenwärtig gültigen Gaslieferabkommens bis 2019 einig. Wladimir Putin betonte, Russland werde im AKW Paks die bestellten neuen Atomreaktorblöcke errichten (vgl. BudaPost in den Jahren 2014 und 2015). Gleichzeitig lobte er die ungarische Einwanderungspolitik. Viktor Orbán verwies auf die Abhängigkeit der ungarischen Industrieproduktion von russischen Energieeinfuhren und fügte hinzu: Die Sanktionen der EU gegen Russland sollten überdacht werden, um die Wirtschaftsleistung in Europa zu stärken. (Die Frage einer weiteren Verlängerung der Sanktionen steht einmal mehr Mitte des Jahres auf der Tagesordnung.)

Präsident Putin habe im Vorfeld des EU-Gipfels vom Donnerstag demonstrieren wollen, dass er über Verbündete innerhalb der Union verfüge, schreibt Csaba Poór in Népszabadság. Nach Einschätzung des linken Kolumnisten wolle Putin die ungarische Hilfe nutzen, um eine Aufhebung der EU-Sanktionen gegen sein Land zu erreichen. Neben den ganz pragmatischen Interessen, die Ungarn und Russland teilten, wirft Poór Orbán vor, auch in ideologischer Hinsicht mit dem russischen Präsidenten auf gleicher Wellenlänge zu liegen. Immerhin experimentiere er mit einem extrem zentralisierten, illiberalen Demokratiemodell.

Auch Róbert Friss geht davon aus, dass sich Präsident Putin der Unterstützung Ungarns in seinem Kampf gegen die EU-Sanktionen versichern wolle. In Népszava räumt der linke Publizist zwar ein, dass die Sanktionen die Wirtschaftsinteressen sowohl der EU als auch Ungarns schädigen würden. Dennoch hält Friss es für problematisch, wenn Orbán die nationalen Interessen voranstelle und das russische Engagement in der Ostukraine ignoriere.

Gyula T. Máté von der Tageszeitung Magyar Hírlap findet lobende Worte für Orbán: Es sei eine mutige Entscheidung gewesen, Moskau am Vorabend des EU-Gipfels zu besuchen. Der konservative Journalist gibt zu, dass Präsident Putin mit seiner Einlandung an Regierungschef Orbán pragmatische wirtschaftliche und geopolitische Interessen verfolgt habe. Dessen ungeachtet diene die Zusammenarbeit auch den ungarischen Interessen: Ungarn sei auf russische Energielieferungen angewiesen und die ungarischen Agrarexporte benötigten russische Märkte. Und Máté verweist auf einen weiteren wichtigen Aspekt: Ohne eine Beteiligung Russlands könnten die Syrien-Krise nicht beigelegt und der Zustrom von Migranten aus dem Nahen Osten nicht gestoppt werden. Demzufolge habe Ministerpräsident Orbán in Moskau nationale Interessen Ungarns vertreten.

Die Visite von Ministerpräsident Orbán sei durch einen ausschließlich ökonomischen Pragmatismus motiviert gewesen, seine Loyalität gegenüber der EU könne nicht infrage gestellt werden, betont Levente Sitkei in Magyar Idők. Russland habe sich zu einem „kapitalistischen Imperium“ entwickelt, das auf Ungarn angewiesen sei, um die Märkte der EU zu erreichen. Aber auch die Wirtschaft Ungarns benötige Russland, erklärt der regierungsfreundliche Kommentator und weist Befürchtungen zurück, wonach Russland eine Gefahr für Europa darstelle. In diesem Sinne erinnert Sitkei daran, dass auch Deutschland pragmatische Beziehungen zu Moskau unterhalte.

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