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Migrationsdeal EU-Türkei in der Schwebe

10. Mar. 2016

Die regierungsnahe Zeitung Magyar Idők lobt Ministerpräsident Viktor Orbán für dessen Ablehnung des zwischen der Türkei und der EU ausgearbeiteten Vertragsentwurfs, während die konservative Magyar Nemzet und die linksorientierte Népszabadság sowohl der Regierung als auch den öffentlich-rechtlichen Medien vorwerfen, sie hätten in Brüssel eine Propagandaaktion veranstaltet, um die Beliebtheitswerte Orbáns an der Heimatfront zu verbessern.

Es existiere gar kein Vertragsentwurf zwischen der Türkei und der Europäischen Union, denn Ungarn habe erklärt, „sich an diesem Wahnsinn“ nicht beteiligen zu wollen, behauptet Magyar Idők in ihrem Leitartikel. Autor Levente Sitkei führt im Folgenden aus, dass dieser EU-Plan „einer gegen einen“ Menschen so behandele, als seien sie Kohlesäcke, die man über die Grenze hin und her verfrachten könne. Dies sei eine unmenschliche Lösung und werde obendrein nicht funktionieren, warnt Sitkei. Der Plan werde den Zustrom von Migranten ohne die Anwendung von physischer Gewalt nicht stoppen und Betonmauern errichten. Zugleich lobt der Leitartikler Ministerpräsident Viktor Orbán, der vor den wirklichen Gefahren gewarnt, einen Grenzzaun errichtet und nunmehr in Brüssel nein zu dem Vertragsentwurf gesagt habe.

Unterdessen entwickelte sich in der Nacht zu Dienstag in ungarischen Medien ein Minikrieg, als einige Zeitungen und Nachrichtenportale der öffentlich-rechtlichen Medienholding MTVA vorwarfen, sie habe im Fernsehen – nach einem entsprechenden Tweet von Regierungssprecher Zoltán Kovács – in einer irreführenden Art und Weise über das ungarische Veto berichtet. Kritiker behaupteten, die Meldungen von MTVA hätten den Ministerpräsidenten in ein falsches Licht gerückt und ihn zum einsamen Helden stilisiert, der dem Vertrag die Stirn geboten habe, während sich in Wahrheit doch auch andere Staats- bzw. Regierungschefs ablehnend geäußert hätten. Außerdem gebe es noch gar nichts, gegen das man ein Veto einlegen könne. MTVA reagierte am Dienstag mit einer Stellungnahme auf die Kritik und erklärte darin, diese Medien stünden der MTVA feindselig gegenüber. Die Holding bezichtigte sie zudem der Lüge und verwies auf Meldungen internationaler Nachrichtenagenturen, die die Nachricht in ähnlicher Art verbreitet hätten.

Im Leitartikel von Magyar Nemzet wird die Art und Weise heftig attackiert, wie der Vertragsentwurf in Brüssel zustande gekommen war. Autor Gábor Stier vergleicht den Prozess mit dem Geschäftsgebaren auf einem Basar. Diejenigen, denen man eine dickere Geldbörse zutraue, wie etwa deutsche Touristen, müssten mehr bezahlen. In Brüssel habe die Türkei genau diese Taktik angewandt, gehe damit aber zu weit, meint Stier, der auch den Stab des ungarischen Ministerpräsidenten kritisiert, da er die kritische Situation ausgenutzt habe, um die Popularität von Viktor Orbán zu heben. In diesem Sinne hätten sich die öffentlich-rechtlichen Medien Ungarns mit der Regierung verbündet. Insgesamt jedoch glaubt Stier, dass sich Europa langsam auf eine Lösung des Problems zubewege, wobei die große Frage laute, was diese Lösung genau kosten werde.

„Auf dem Gipfel in der kommenden Woche werden wir genau sehen, wie viel die Europäische Union für die Hilfe einer erpresserischen Türkei zu zahlen bereit ist“, konstatiert Gábor Horváth in Népszabadság. Allerdings gehe es nicht ums Geld allein, denn nicht nur Viktor Orbán habe mit einem Veto gegen die Übereinkunft gedroht, sondern auch sein italienischer Amtskollege Matteo Renzi. Horváth kritisiert darüber hinaus „die Logik Budapests“ und bezichtigt ihre „Propagandamaschinerie“ über die Rolle, die Ungarn im Zuge der Verhandlungen gespielt habe, gelogen zu haben. Wir seien moralisch zur Hilfeleistung für diejenigen verpflichtet, die um ihr Leben liefen, erklärt der Kommentator. Dies sollte nicht von Wahlkampferwägungen überlagert werden. Darüber hinaus seien die überraschenden Wahlergebnisse in der Slowakei ein Beleg dafür, dass sich das Schüren von Hass nicht immer auszahle, warnt Horváth abschließend.

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