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Opposition zeigt sich bei 1956-Jahrestag gespalten

31. Oct. 2016

Mehrere Wochenmagazine sind sich einig, dass die linke Opposition bei ihrem Gedenken an den 60. Jahrestag des Volksaufstandes von 1956 kaum habe überzeugen können. Uneinigkeit herrscht allerdings in der Frage, ob ein zeitnahes Erwachen aus ihrem aktuellen Dämmerzustand möglich sei.

In seinem regelmäßigen Leitartikel für das Wochenmagazin Heti Válasz bezeichnet Gábor Borókai das von der Opposition angestimmte Pfeifkonzert während der offiziellen Feierlichkeiten vor dem Parlamentsgebäude als eine jämmerliche Aktion (vgl. BudaPost vom 25. Oktober). Die Opposition habe damit eine Chance vertan, am Jahrestag ihre eigenen Auffassungen zu Vergangenheit und Zukunft vorzutragen.
Die meisten Anhänger der Linken hätten sich versammelt, um Reden über ausschließlich ein einziges Generalthema zu hören: die Bekämpfung von Ministerpräsident Viktor Orbán. Kein Wunder, dass sie keinen großen Eindruck hinterließen, urteilt Borókai. Andererseits sei es denjenigen, die sich als Bühne für ihre Unmutsbekundungen gegenüber dem Ministerpräsidenten den offiziellen Staatsakt auserkoren hätten, noch viel schlechter ergangen, notiert der Journalist. Sie würden ihm diktatorische Bestrebungen vorwerfen, dabei seien sie es doch gewesen, die die versammelten Anhänger der Regierung am Feiern gehindert und sich damit ins eigene Bein geschossen hätten, behauptet der Chefredakteur von Heti Válasz. Damit, so Borókai, hätten sie Viktor Orbán einen großen Dienst erwiesen, der sich am Rande einer so miserablen Aufführung seitens der Opposition „in aller Ruhe zurücklehnen und eine Tasse Kaffee bestellen kann“.

Das Pfeifkonzert vor dem Parlamentsgebäude sei der Versuch von „Együtt“ (Gemeinsam) gewesen, sich ein eigenes unabhängiges Image zu geben, das auch die Geburtsstunde einer neuen Strategie markiere, notiert Zoltán Lakner in 168 Óra. Diese Strategie könnte dazu führen, dass sich die Opposition aus dem Parlament und anderen gewählten Organen zurückziehe. Lakner zitiert jüngste Äußerungen von Együtt-Chef Viktor Szigetvári, denen zufolge er immer weniger Chancen dafür sehe, „das Orbán-Regime“ friedlich in die Wüste zu schicken. Die Demokratische Koalition wiederum habe bereits ihre Abgeordneten aus dem Parlament abgezogen (vgl. BudaPost vom 13. Oktober).
Im Folgenden fragt der Autor, ob die Opposition nicht auch die nächsten Wahlen boykottieren sollte. Zur Zeit jedoch liefen Gespräche über die Bildung eines gemeinsamen Bündnisses für die Wahlen 2018. Allerdings befinde sich die Linke in einer noch viel entmutigenderen Lage als 2012, als eine solche Geschlossenheit ziemlich erbärmliche Resultate eingefahren habe. Es ergebe wenig Sinn, die alten Fehler zu wiederholen, befindet Lakner. Einer unbekannten Straße zu folgen ergäbe immerhin mehr Sinn als das Einbiegen in eine bekannte Sackgasse. Lakner ruft die Opposition nicht expressis verbis zum Boykott der kommenden Wahlen auf, sondern gibt zu bedenken, dass ihre einzige Chance in einer grundlegenden Erneuerung mit dem Ziel liege, ganz neue Segmente der Gesellschaft zu mobilisieren.

In Magyar Narancs warnt Dániel Hegedűs die Opposition vor der müßigen Annahme, die Europäische Union oder der Westen allgemein würden ihren Job übernehmen. Sämtliche Kräfte der demokratischen Opposition, wie der Mitarbeiter der in Berlin ansässigen Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sie nennt, teilten die Ansicht, dass Europa mehr zur Verteidigung der Demokratie tun sollte. Allerdings könne kaum jemand dem Westen erklären, was er für sie tun sollte. Die Europäische Union und die westlichen Partner Ungarns könnten die Wahlen nicht für die ungarische Opposition gewinnen. Und falls Letztere sie als politische Ressource nutzen wollte, sollte sie signalisieren, welches Vorgehen sie eigentlich erwarte. Wären sie beispielsweise bereit, Finanzsanktionen gegen Ungarn zu unterstützen?
Tatsächlich verhalte sich die westliche Gemeinschaft in ihrem Umgang mit Ungarn bezüglich politischer und verfassungsrechtlicher Streitfragen passiv, erläutert Hegedűs in dem linksorientierten Wochenmagazin. Das liege aber weitgehend daran, dass die Opposition in Ungarn offensichtlich keine glaubwürdige Alternative präsentieren könne. Der Westen stelle Kosten-Nutzen-Rechnungen an, bevor er politische Initiativen ergreife, fährt der DGAP-Analyst fort. Durch die Unterstützung der ungarischen Opposition könne der Westen nur sehr wenig gewinnen, aber bei einem Zusammenstoß mit dem ungarischen Ministerpräsidenten, der aufgrund seiner Haltung in der Migrationskrise zu einem internationalen Akteur avanciert sei, viel verlieren.
Solange sich die Opposition nicht zu einer echten Alternative mit klaren internationalen Konzepten entwickele, „wird im Westen nichts Neues geschehen“, so Hegedűs in Anlehnung an den Titel des berühmten Romans von Erich Maria Remarque.

Dagegen beobachtet Sándor Szarka ständig Bemühungen von Seiten der Europäischen Kommission, um die ungarische Regierung in die Ecke zu treiben. Dabei seien die fortlaufenden Versuche, ihr massive Schwierigkeiten zu bereiten, bislang reihenweise gescheitert, schreibt Szarka in Demokrata. So habe die Anti-Korruptionsagentur der Europäischen Union, OLAF, die Zahl ihrer Beschäftigten, die sich mit der Verwendung von EU-Geldern in Ungarn befassen würden, verzehnfacht, während die Kommission selbst an einem Bericht zu diesem Thema arbeite, der zu einer teilweisen oder kompletten Aussetzung von EU-Zahlungen an Ungarn führen könnte.
Für Szarka ist das Timing verdächtig, denn er sieht einen Zusammenhang zur immer entschiedeneren Haltung Ungarns gegen die Pläne der Europäischen Kommission über eine verpflichtende Umverteilung von Migranten. Im Folgenden listet der Autor eine Reihe früherer Verfahren auf, die letztendlich jedoch nichts gebracht hätten. Angesichts der guten Haushaltslage Ungarns und auch im Falle, die Gerüchte über die Absichten der Kommission würden sich als zutreffend erweisen, wäre die Regierung durchaus in der Lage, die Zeitspanne zu überbrücken, während der die Zahlungen aus Brüssel auf Eis lägen, gibt sich Szarka betont entspannt.

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