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Botkas Kampf um Oberhoheit innerhalb der Linken

31. Jul. 2017

Kommentare zu den überraschend freimütigen Vorwürfen des MSZP-Ministerpräsidentenkandidaten László Botka an die Adresse von „Verrätern und Kollaborateuren“ innerhalb seiner eigenen Partei reißen nicht ab. Dabei herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass ein Sieg der Linken bei der Parlamentswahl im kommenden Jahr höchst unwahrscheinlich sei.

Auf Mozgástér beschreibt Béla Galló die interne Auseinandersetzung innerhalb der Linksopposition als „das Blinken rostiger Messer in sauerstoffarmer Umgebung“, da er die Abfolge immer neuer Vorschläge gegen den Fidesz geschmiedeter Wahlbündnisse samt und sonders für unvernünftig hält. Als irreführend betrachtet er zunächst die von ehemaligen Spitzenliberalen geäußerte Idee einer Allianz mit Jobbik. Sollten Parteiführer solche Handlungsanweisungen geben, würden ihre Wähler niemals gehorchen, vermerkt Galló. Desgleichen würde der Name des früheren Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány auf der gemeinsamen linken Liste massiv abschreckend wirken. Allerdings hält es Galló auch für kontraproduktiv, wenn László Botka parteiinterne Gegner als Verräter beschimpfe.

Péter Magyari zitiert auf 444 eine Reihe von namentlich nicht genannten Quellen aus den Reihen der Sozialistischen Partei, die Botkas Behauptung untermauern, der Fidesz verfüge über „eingeschleuste Spione und bezahlte Nutznießer innerhalb der MSZP“. Seine Quellen hätten ihm berichtet, der damalige Wahlkampfmanager Zsolt Molnár habe vor den letzten Parlamentswahlen nach der Pfeife des Fidesz getanzt habe, indem er sich für Ferenc Gyurcsánys Kandidatur auf einer gemeinsamen linken Parteiliste eingesetzt habe. (Molnár ist der einzige sozialistische Politiker, der von Botka namentlich als Beispiel für einen „Verräter“ innerhalb der MSZP angeführt wurde [vgl. BudaPost vom 28.Juli] – Anm. d. Red.) Der Fidesz habe den extrem unpopulären Vorsitzenden der Demokratischen Koalition auf dieser Liste sehen wollen und die Quellen Magyaris halten diese Tatsache ursächlich für den Gewinn seiner parlamentarischen Zweidrittelmehrheit. Die namentlich nicht genannten sozialistischen Politiker hätten Magyari darüber hinaus mitgeteilt, dass die Regierung sowie der vom Fidesz geführte Budapester Stadtrat ihre Zulieferer regelmäßig instruiert hätten, Verträge mit Subunternehmen zu schießen, die über Verbindungen zu bestimmten prominenten sozialistischen Persönlichkeiten verfügten. Manche glaubten, der Fidesz habe sich mittlerweile „Einfluss auf Népszava und Vasárnapi Hírek erkauft”, zwei Zeitungen, „von denen man dachte, sie stehen der MSZP nahe“, schreibt Magyari.

András Jámbor stimmt auf Kettős Mérce dieser Analyse zu, geht aber davon aus, dass Molnár „und andere dem Fidesz nahestehende MSZP-Leute“ eine Mehrheit des regionalen MSZP-Führungspersonals darstellen würden. Ihr Problem sei, dass Gyurcsánys Leute – sollte ihr Chef selbst nicht mit an Bord sein – in den einzelnen Wahlkreisen antreten und die MSZP-Kandidaten Schwierigkeiten haben würden, unter den Vorgaben des Mehrheitswahlrechts zu siegen. Andererseits denkt Jámbor, dass Botka zu Recht seine Gegner zum Schweigen bringen wolle, andernfalls „werden sie ihn während des Wahlkampfes auffressen“. Nichtsdestotrotz warnt er, dass die MSZP ohne eine Zusammenarbeit mit Gyurcsány bei der Parlamentswahl 2018 den Fidesz nicht am Gewinn einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit werde hindern können. Dies könne sich Botka als realistisches Ziel setzen, denn ein Sieg sei definitiv nicht in Sicht.

Die Hoffnungen der Oppositionsführer, dass die gegenwärtige Regierung ihre Koffer packen werde, seien vergeblich, solange sie sich selbst mehr hassen würden als Viktor Orbán, schreibt Anita Élő in Heti Valasz. Für sie ist es unerklärlich, warum sich Botka entschieden habe, den bis dahin der Öffentlichkeit praktisch unbekannten Zsolt Molnár „herauszupicken“. Die jüngsten Scharmützel würden zudem das Überzeugungspotential der MSZP erheblich beschädigen, gäbe es doch kaum unentschiedene Wähler, die sich für einen Führer entscheiden würden, dem es nicht einmal gelinge, seine eigenen Leute auf Linie zu bringen, und der, statt zu erklären, wie er das Land zu führen gedenke, lieber über einen auf einem kleinen Nachrichtenportal erschienenen Artikel Molnárs streite.

In den 1990er Jahren habe Viktor Orbán sich seinen Weg zur Wahl und Wiederwahl gebahnt, indem er Mitbewerber innerhalb des rechten Lagers eliminiert oder einverleibt habe, erinnert Albert Gazda in Magyar Nemzet. Die Christdemokratische Partei, die einzige Überlebende einer stattlichen Reihe von Rechtsparteien, sei lediglich ein Anhängsel des Fidesz. Botka habe versucht, die Öffentlichkeit mit dem Argument von der Nutzlosigkeit der neuen kleinen Parteien auf der linksliberalen Seite zu überzeugen, dass sie lediglich der MSZP Stimmen streitig machen und damit dem Fidesz in die Hände spielen würden. Sein Problem bestehe nun aber darin, dass sich diese Parteien vermehren würden, anstatt sich mit seiner eigenen zu verbinden. Die Wahlen werden ihr Schicksal möglicherweise besiegeln, doch könne die MSZP froh sein, nicht auf das Niveau dieser kleinen Parteien zu schrumpfen, meint Gazda und schließt mit den Worten: „Aber wer weiß schon, wie diese Geschichte letztendlich ausgehen wird.“

Die Oppositionswählerschaft habe etwa zehn Jahre „auf irgendeine Lösung“ gewartet, doch die sei nach wie vor nicht in Sicht, echauffiert sich Péter N. Nagy in 168 Óra. Sicherlich wäre es für die grundverschiedenen Oppositionskräfte leichter, sich zu einem breiten Bündnis zusammenzuschließen, wenn es den Sieg verheißen würde. Es sei viel schwieriger, diese Kräfte mit der Aussicht auf eine wahrscheinliche Niederlage zusammenzuführen. Doch es stehe viel auf dem Spiel, erklärt Nagy. Konkret befürchtet er, dass sich das, was er bereits jetzt als halb-autokratisches Regime bezeichnet, in „Verhältnisse sich verfinsternder Freiheit“ verwandeln werde, sollte die Opposition im nächsten Parlament nicht stark genug sein. Paradoxerweise wertet Nagy die Ähnlichkeit all dieser Parteien als Haupthindernis für eine linksliberale Einheit. Diese Ähnlichkeit mache aus ihnen Wettbewerber, die um die selben Bevölkerungsschichten buhlen würden. Was das Ganze auf die Spitze treibe, sei die Angst der kleinen Parteien, von einer größeren geschluckt zu werden, wie es vielen ihrer Vorgänger ergangen sei. Angesichts der Wichtigkeit dessen, was auf dem Spiel stehe, sollten die Parteien jedoch nicht fragen, welche Vorteile sie aus einem Bündnis ziehen könnten, sondern was sie dafür zu opfern bereit seien.

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