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EU-Haushaltskontrollausschuss in Ungarn

25. Sep. 2017

Analysten quer durch das politische Spektrum nutzen den Besuch des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments, um sowohl der Regierung als auch der Opposition Korruption vorzuwerfen.

Am Dienstag vergangener Woche stattete der Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments (CONT) Ungarn einen Besuch ab, um verschiedene vom EU-Kohäsionsfonds finanzierte Projekte zu überprüfen. Dazu zählte unter anderem die Schmalspurbahn im Vál-Tal zwischen Felcsút und Alcsútdoboz, die mit Hilfe von 1,9 Millionen Euro aus EU-Töpfen gebaut worden war. Seit ihrer im April vergangenen Jahres erfolgten Eröffnung hat die Opposition kontinuierlich behauptet, dass die Kleinbahn im Heimatort von Ministerpräsident Viktor Orbán symbolisch für „den verschwenderischen und korrupten Einsatz von EU-Geldern durch die Regierung“ stehe. Auf einer Pressekonferenz nach dem Besuch erklärten Vertreter des Kontrollausschusses, dass man im Zusammenhang mit der Kleinbahn im Vál-Tal keine Unregelmäßigkeiten habe feststellen können. Allerdings würden unabhängige Experten mit der Erstellung einer Wirkungsanalyse beauftragt.

Der Bau der Kleinbahn im Vál-Tal sei ein Beweis dafür, dass in Ungarn keine Demokratie existiere, schreibt Miklós Hargitai in Népszava. Der Kolumnist des linken Spektrums wirft der Regierung vor, Finanzmittel für den Nostalgiezug in Ministerpräsident Orbáns Geburtsort auf Kosten viel nützlicherer und wichtigerer Projekte eingesetzt zu haben. In einem Land, in dem eine Regierung öffentliche Gelder nach eigenem Gusto ausgeben und öffentliche Prioritäten ignorieren könne, gebe es weder Demokratie noch Rechtsstaatlichkeit, schäumt Hargitai.

Árpád W. Tóta bezeichnet die Art und Weise der Nutzung von EU-Geldern als „gedankenloses Ausgabegebaren“. Das könnte, so Tóta in Heti Világgazdaság, ab 2020 zu einer Verringerung von Strukturgeldern führen. In der ganzen EU seien Kohäsionszuwendungen oftmals für Projekte mit nur geringem Nutzen ausgegeben worden, hält der liberale Kommentator fest. Wenn die Migrationskrise einmal vorbei sei, werde die westeuropäische Öffentlichkeit neue Dinge ins Visier nehmen, argwöhnt Tóta. Falls sie mitbekommen sollte, dass ihre Steuergelder für derartig alberne Projekte wie die Minibahn im Vál-Tal ausgegeben würden, werde sie sich gegen eine Weiterführung des EU-Kohäsionsprogramms über 2020 hinaus aussprechen, spekuliert der Autor.

Für László Csécsi lautet die zentrale Schlussfolgerung aus dem Fall: Die Oppositionsparteien könnten nicht darauf hoffen, dass die EU ihnen zu einem Sieg über den Fidesz bei der demnächst anstehenden Parlamentswahl verhelfen werde. In Magyar Nemzet hebt der Kolumnist hervor, dass die Kommission keine Unregelmäßigkeiten habe feststellen können. Die ungarische Regierung könnte dies nutzen, um Korruptionsvorwürfe seitens der Opposition zurückzuweisen. „Die Linke kann von der EU nicht erwarten, dass sie die Wahl 2018 für sie gewinnt“, so Csécsi resümierend.

Der Prüfbericht der Kommission sei ein Schlag ins Gesicht der Opposition, schreibt János Dénes Orbán in Magyar Idők. Der Skandal rund um die Vál-Tal-Bahn sei von der Linken erzeugt worden und ein Hinweis darauf, dass die Oppositionsparteien in ihrem Bemühen, die Regierung zu verteufeln, eine skrupellose „bolschewistische“ Strategie verfolgt hätten. Die Linke, die nach Auffassung des Autors „ausländischen Interessen dient“, habe verstanden, dass für sie keinerlei Hoffnung bestehe, die ungarischen Wähler von sich zu überzeugen. Demnach würde sie versuchen, ihre Botschaft mit Hilfe übernationaler Akteure unters Volk zu bringen. Für eine Ironie hält es Orbán, dass die EU-Kommission zwar unlängst erhebliche vorschriftswidrige Ausgaben unter den ehemaligen sozialistisch-liberalen Regierungen ausgemacht habe (siehe BudaPost vom 18. Januar), die Linke aber die Kommission nicht davon habe überzeugen können, dass bei dem winzigen Bahnprojekt Korruption im Spiel gewesen sei.

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