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Katalonien-Referendum: Lehren für magyarische Minderheiten

16. Oct. 2017

Ein liberaler Analyst bedauert das unilaterale Streben der katalanischen Führung hin zu einer Loslösung von Spanien, während ein regierungsnaher Kommentator eher ein gewisses Verständnis signalisiert. Einig sind sich die beiden allerdings in der Feststellung, dass die Geschehnisse auf der Iberischen Halbinsel den nach Autonomie strebenden ethnischen Ungarn jenseits der Landesgrenzen zusätzliche Probleme bereitet haben.

András Keszthelyi – zu Zeiten der letzten beiden Linksregierungen Ungarns als führender PR-Stratege tätig – hegt ernsthafte Zweifel an der Legitimität des Referendums in Katalonien. Auf 24.hu notiert Keszthelyi, dass die spanischsprachige Hälfte der katalanischen Bevölkerung über keinerlei Zugang zu muttersprachlichem Unterricht verfüge und sich mit zwei Wochenstunden Spanischunterricht begnügen müsse. Mit anderen Worten: Die Katalanen stellten keine unterdrückte Minderheit dar, deren Unabhängigkeitsbestrebungen er unterstützen könnte. Die Unabhängigkeitserklärung werde sich in absehbarer Zeit niemals umsetzen lassen, doch der von ihr verursachte Schaden sei bereits spürbar.
Hauptopfer des katalanischen Separatismus seien nationale Minderheiten in anderen europäischen Ländern, fährt Keszthelyi fort. Wie könnten ein Türke in Bulgarien, ein Russe in Lettland oder ein Magyare in Siebenbürgen Autonomie einfordern? Wie könnten sie mehr Rechte verlangen, wenn die Mehrheitsbevölkerung doch den Verdacht hege, dass es ihnen weniger um Autonomie, sondern eher um Loslösung gehe? Andererseits habe die Europäische Union bereits genügend große Probleme zu bewältigen und sei daher nicht im Mindesten geneigt, derartige Bestrebungen zu unterstützen, resümiert Keszthelyi.

Auch Balázs Ágoston weist in der Wochenzeitschrift Demokrata darauf hin, dass die Ereignisse in Katalonien den Handlungsspielraum im Zusammenhang mit Selbstbestimmungsbemühungen der magyarischen Mehrheit im rumänischen Széklerland deutlich verringert hätten. Die ethnischen Ungarn in Rumänien hätten jahrzehntelang auf das Beispiel Kataloniens als ein erfolgreiches Modell regionaler ethnischer Autonomie verwiesen, das die Einheit eines Landes nicht bedrohen würde. Dieses Argument habe die meisten rumänischen Politiker, die Autonomie als Vorstufe einer Loslösung betrachteten, niemals überzeugt, betont Ágoston. Nunmehr sähen sie sich aufgrund der Entwicklungen in Katalonien in ihrem Argwohn bestätigt.
Der Autor lässt ungarische Diplomaten zu Wort kommen und vertritt in der Folge die Ansicht, dass Ungarn auch mit Blick auf die Rechte ethnischer Minderheiten eine unnachgiebige Haltung seitens der Europäischen Union zu erwarten habe – zumindest längerfristig gesehen. Die Position der EU orientiere sich hauptsächlich an der rigiden Linie Frankreichs. Darüber hinaus würde Minderheiten angesichts des Brexit „künftig die nüchterne Stimme Großbritanniens fehlen“. Eine Autonomie der Székler werde als ein lokales, zweitrangiges Problem betrachtet werden, „in dessen Zusammenhang nicht einmal Blut fließt“, und das damit weit unter dem Schwellenwert für eine Sensation verharre.
Ungarns drei Partner innerhalb der Visegrád-Staatengruppe fühlten sich in dieser Frage ebenfalls nicht kompetent. Demzufolge dürfte Ungarn maximal eine Festigung des Rechts ethnischer Minderheiten auf muttersprachlichen Schulunterricht erreichen. Ungarn könne, wenn es sich gegen das neue, dieses Recht beschneidende Bildungsgesetz in der Ukraine ausspreche, auf die Kooperation Rumäniens zählen, da in der Ukraine eine ansehnliche rumänische Minderheit lebe, notiert Ágoston.

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