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Jeder gegen jeden bei den Linken

6. Nov. 2017

Die Parteien des linken Spektrums sind sich weiterhin uneins in der Frage, ob sie bei den kommenden Parlamentswahlen besser gemeinsam oder doch eher getrennt antreten sollten. Kommentatoren quer durch das politische Spektrum hingegen vertreten unisono die Ansicht, dass die Linke im Frühjahr 2018 kaum Chancen auf einen Sieg habe. Folglich kämpften sie statt gegen die Regierungsparteien Fidesz und KDNP eher untereinander um die Führerschaft im Lager der Opposition.

Die Oppositionsparteien könnten den Fidesz noch immer schlagen. Voraussetzung sei allerdings ein gemeinsames Antreten zur Parlamentswahl 2018, analysiert Péter Németh von der Tageszeitung Népszava. Der Kolumnist aus dem linken Spektrum erinnert daran, dass die jüngsten Meinungsumfragen (vgl. BudaPost vom 4. November) einen Rekordvorsprung des Fidesz ausweisen würden. Demnach aber würden immerhin 45 Prozent der Wähler die gegenwärtige Regierung gerne ersetzen und nur 44 Prozent sie wiederwählen. In Némeths Interpretation sagen die Umfragen aus, dass selbst die mit der gegenwärtigen Regierung unzufriedenen Wähler kaum gegen sie stimmen würden, solange keine starke aus Oppositionsparteien gebildete Koalition mit einer glaubhaften Siegchance existiere.

Die Kräfte des linken Spektrums kämpften eher gegeneinander als gegen den Fidesz, ist Mariann Katona überzeugt. In Magyar Nemzet stellt sie die gegenwärtige Situation wie folgt dar: Die MSZP wolle mit einer gemeinsamen linken Liste sowie einem gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten antreten. Die Demokratische Koalition bevorzuge gemeinsame Kandidaten in den Wahlkreisen, aber getrennte Listen und Spitzenkandidaten. Jobbik, die LMP und Momentum seien nicht einmal zu Gesprächen über irgendeine Form der Zusammenarbeit bei den Wahlen bereit. Nach Einschätzung der Kolumnistin kämpfen sämtliche dieser Oppositionsparteien um die selben Wählerstimmen. Eine derartige Fragmentierung auf der Linken helfe dem Fidesz bei der Verteidigung seiner Führungsposition, schlussfolgert Katona.

Auch Zoltán Lakner stellt fest, dass die Demokratische Koalition im Vergleich zur MSZP eine lockerere Zusammenarbeit der linken Kräfte bevorzuge – eine Option übrigens, die die Partei von Ferenc Gyurcsány vor vier Jahren noch heftig abgelehnt hatte, erinnert der links ausgerichtete Analyst im Wochenmagazin 168 Óra. Die Demokratische Koalition widersetze sich aufgrund ihrer gegenüber 2014 gewonnenen Stärke einem gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs. Da Gyurcsány nun die Chance habe, mehr Stimmen als die MSZP zu erhalten und somit zur vorherrschenden Kraft bei den Linken zu avancieren, wolle er die Zusammenarbeit etwas weniger eng gestalten wie in Zeiten, als seine Partei noch schwächer gewesen sei, so Lakner abschließend.

Károly Bán pflichtet in Magyar Hírlap der LMP-Spitzenkandidatin Bernadett Szél bei, die das eigenständige Antreten ihrer Partei verteidigt. Ihr Argument dabei: Es wäre wenig sinnvoll, für einen bunt zusammengewürfelten Haufen linker Parteien zu stimmen. Der regierungsnahe Kommentator glaubt, dass der links-interne Streit über ein Wahlbündnis ein klarer Beleg für die Kooperationsunfähigkeit unter den linken Parteien sei. Wenn sie sich nicht darauf verständigen könnten, ob sie gemeinsam – und falls ja in welcher Form – antreten sollten, wie sollten sie dann das Land regieren?, fragt Bán sich und seine Leser.

Eine Zusammenarbeit wäre für die Linksparteien alles andere als vernünftig, schreibt der Politikwissenschaftler Balázs Orbán auf Mandiner. Um Wählerstimmen zu gewinnen, müssten die konkurrierenden Linksparteien starke und extrem polarisierende Botschaften an die Wähler aussenden, um sich von anderen Parteien im linken Spektrum abzuheben, erläutert Orbán. Jedwede Kooperation würde diese Anstrengungen konterkarieren. Zudem würde ein gemeinsames Antreten dafür sorgen, dass die kleinen Linksparteien nur noch schwerer eigene Parlamentsfraktionen zustande bringen könnten. (Parteien, die getrennt antreten, können eine Fraktion bilden, wenn sie mit eigener Parteiliste ins Rennen gehen und die Fünfprozenthürde überspringen oder über mindestens drei Abgeordnete verfügen. Gemeinsam antretende Parteien brauchen zwölf Parlamentsabgeordnete für eine eigene Fraktion – Anm. d. Red.) Ohne Fraktion im Hintergrund seien Abgeordnete machtlos und unsichtbar. Folglich wäre es absurd, wenn die Oppositionsparteien bei der Parlamentswahl 2018 zusammengingen, schlussfolgert Orbán.

In ihrem regelmäßigen gemeinsamen Interview mit dem Wochenjournal Heti Válasz stimmen die Politikwissenschaftler Ágoston Sámuel Mráz und Gábor Török darin überein, dass die Linksparteien voll und ganz damit beschäftigt seien, sich selbst zu besiegen, anstatt Mittel und Wege für eine gemeinsame Kampfansage Richtung Fidesz ausfindig zu machen. Török hält es angesichts der Zahlen für unwahrscheinlich, dass die Linke die Wahl gewinnen werde. Falls jedoch die Parteien gemeinsam antreten würden, könnten sie gerade so viele Sitze erringen, um dem Fidesz die Bildung einer neuen Regierung zu verhageln. Mráz fügt hinzu, dass jede Linkspartei sichergehen wolle, andere Linksparteien für ihre Niederlage und einen Fidesz-Sieg bei der Parlamentswahl 2018 verantwortlich machen zu können. Er vermutet zudem, dass der frühere Ministerpräsident Gyurcsány nach der Wahl 2018 zum führenden Politiker der Linken aufsteigen könnte, sollte der Niedergang der Sozialistischen Partei anhalten.

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