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Magyar Nemzet wird eingestellt

12. Apr. 2018

Presse-Magnat Lajos Simicska zieht sich aus zwei Printmedien sowie einem Radiosender zurück. Vor diesem Hintergrund beklagen Kommentatoren, dass damit unter anderem ein Stück ungarischer Geschichte verschwindet – falls nicht ein politischer Investor rettend in die Bresche springen sollte.

Der ehemalige Fidesz-Schatzmeister Lajos Simicska, der sich 2015 mit Ministerpräsident Viktor Orbán überworfen und sein Medienimperium gegen die Regierung in Stellung gebracht hatte, zieht sich angesichts des überwältigenden Fidesz-Wahltriumphs aus weniger wirtschaftlichen Geschäftsbereichen zurück. Zwar wird er auch künftig das Internetnachrichtenportal Index sowie den Fernsehsender HírTV – seine beiden Kanäle mit der höchsten Marktdurchdringung – finanzieren, die Tageszeitung Magyar Nemzet (letzte Ausgabe am Mittwoch) sowie Lánchíd Rádió (Sendeschluss bereits in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch) hingegen stellen ihren Betrieb ein. Das Wochenmagazin Heti Válasz hat freie Hand, um neue Investoren zu finden. Das Präsidiumsmitglied der LMP, Péter Ungár, teilte unterdessen mit, dass er mit Simicska über die Übernahme der drei Medienunternehmen verhandele.

In der letzten Nummer von Magyar Nemzet äußert sich eine Reihe von Persönlichkeiten betroffen über die Schließung der wichtigsten Tageszeitung Ungarns der vergangenen 80 Jahre. Dabei gibt sich deren führende Kolumnistin Zsuzsanna Körmendy überzeugt, dass die von ihrem Blatt vertretene Tradition überleben werde, stehe sie doch für eine lange bürgerliche Tradition. LMP-Gründer András Schiffer bezeichnet Magyar Nemzet als einen kulturellen Schatz und das einzige unabhängige Medium der letzten vier bis fünf Jahre.

Auf seiner Facebook-Seite bestätigt LMP-Präsidiumsmitglied Péter Ungár Gerüchte über ein von ihm unterbreitetes Kaufangebot für Magyar Nemzet, Lánchíd Radio und Heti Válasz. Der Politiker möchte sein Erbe nutzen, um die drei Medien über Wasser zu halten. (Ungárs verstorbener Vater war ein erfolgreicher Immobilieninvestor – Anm. d. Red.). Persönliches Vermögen, so Ungár, gehe mit der Verantwortung einher, „es zum Wohle der Nation einzusetzen“.

In Népszava äußert Judit N. Kósa ihr Bedauern darüber, dass Zeitungen nicht mehr vom Markt – also den Lesern – getragen würden, während gleichzeitig die Regierung eine überproportionale Rolle im Anzeigen- und Werbegeschäft spiele. „Aus einem Zweig der Macht“ hätten sich die Medien zu einem schäbigen Requisit des politischen Zirkus entwickelt, beklagt die Kolumnistin, die ihre Karriere bei Magyar Nemzet begonnen hatte.

In Heti Válasz läd Chefredakteur Gábor Borókai Sympathisanten kurzerhand zu einem Abonnement seines Wochenmagazins ein.

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