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Fidesz dominiert die Medienlandschaft

6. Aug. 2018

Nachdem der Nachrichtensender Hír TV vergangene Woche von regierungsnahen Kreisen „zurückerobert“ worden ist, zeichnen Kommentatoren aus dem linken Lager ein düsteres Bild der ungarischen Medienlandschaft. Eine regierungsfreundliche Autorin wiederum sieht die Schuld für diese Entwicklungen bei dem Mogul, der konservative Journalisten zunächst für seine Anti-Orbán-Offensive eingespannt hatte, um sie danach im Stich zu lassen.

Péter Németh bestreitet Angaben des Fidesz-Fraktionsvorsitzenden Máté Kocsis, wonach weder seine Partei noch die Regierung etwas mit dem Managementwechsel beim wichtigsten ungarischen Nachrichtenfernsehsender zu tun gehabt hätten. „Wir sind eingekreist und haben kaum noch Luft zum Atmen“, schreibt Németh in Népszava. Es sei geradezu lächerlich, wenn der Fraktionschef die Tatsache leugne, dass die meisten Medien von den Regierenden dominiert würden, echauffiert sich Németh.

In einer ausführlichen Analyse für Mérce erinnert András Jámbor daran, dass nach dem Wechsel von Hír TV ins Regierungslager als einziger landesweit empfangbarer und vollkommen regierungsunabhängiger Fernsehsender RTL Klub – Eigentum der deutschen Bertelsmann AG – übriggeblieben sei. ATV als letzter verbliebener Sender der Opposition gelinge der Verkauf von Werbezeiten auch an die Regierung. Angesichts dieser Tatsache hält Jámbor ATV für nicht vollkommen unabhängig. Lokalzeitungen befänden sich im Besitz von regierungsfreundlichen Investoren und Népszava sei die einzige überregionale Tageszeitung, die der Opposition nahestehen würde. Nichtsdestotrotz verbreite auch Népszava Anzeigen der Regierung. Allein auf dem Markt für Wochenzeitungen sei die Opposition im zahlenmäßigen Vorteil. (Allerdings muss Jámbor diese Tatsache gleich relativieren, denn nachdem Heti Válasz bereits im Frühjahr seine Printausgabe hatte einstellen müssen, musste nunmehr auch der verbliebene Internetauftritt aufgegeben und zugleich Gläubigerschutz beantragt werden – Anm. d. Red.) Unter den im Internet aktiven Nachrichtenportalen seien Index und 24 die erfolgreichsten Anbieter, während zugleich die regierungsfreundlichen Portale an Einfluss gewönnen, konstatiert Jámbor.

András Dezső von Index sagt einen Medienkrieg innerhalb des Regierungslagers voraus. Dessen Hauptproblem sei der Engpass regierungsnaher Journalisten. An Geld dagegen fehle es nicht. Jedoch erscheine es auf lange Sicht gesehen kaum realistisch, zwei regierungsfreundliche Nachrichtensender zu betreiben. Hír TV, selbst in seinem gegenwärtigen Zustand, werde von dreimal mehr Menschen gesehen als Echo TV. Auf der anderen Seite sei Echo TV gerade erst durch seinen Eigentümer, den regierungsnahen Magnaten Nummer eins, Lőrinc Mészáros, auf den neuesten technologischen Standard hochgerüstet worden. Die Entscheidung werde schwerfallen, aber früher oder später müssten sich die herrschenden Kräfte für den einen oder den anderen Sender entscheiden. Bis dahin werde der Wettbewerb zwischen den beiden Protagonisten unvermeidlich und erbittert sein, so Dezsős Vorhersage.

Auf Pesti Srácok schreibt Angéla Füssy: Es sei doch seltsam, dass sich die linken das Hír TV-Programm der vergangenen drei Jahren dominierenden Protagonisten nunmehr über den Verlust ihres Arbeitsplatzes beschweren würden, obwohl sie sich seit Monaten hätten darüber im Klaren sein müssen, dass genau dieses Szenario eintreten werde. Obendrein würden sie nun das Regierungslager für ihre Misere verantwortlich machen, nicht jedoch den einstigen Eigentümer des Senders, der sie für seine Antiregierungskampagne missbraucht habe. Als dann aber sein Vorhaben, Jobbik an die Macht zu bringen, durch die Wahlen vom April dieses Jahres durchkreuzt worden sei, habe er sich ihrer „wie ein Paar schmutzige Socken entledigt“, notiert die Autorin süffisant.

Auf seinem Blog kritisiert der Politikwissenschaftler Gábor Török das Ende von Heti Válasz als derjenigen Wochenzeitung, die seiner eigenen konservativ-liberalen Weltanschauung am nächsten gestanden habe. Zudem zeichnet er das letzte Interview nach, das Bálint Ablonczy von Heti Válasz mit ihm geführt hatte und das in der kommenden Woche hätte erscheinen sollen. Darin konstatiert Török, dass Ministerpräsident Viktor Orbán ein System mit einer extremen Machtkonzentration geschaffen habe. Die Institutionen hätten sich in den vergangenen Jahren kaum verändert – der Wandel sei nahezu Orbáns persönlichen Fähigkeiten geschuldet. Dabei handele es sich nicht um ein neues Regime, erläutert Török, denn es sei um eine einzige Person herum gebaut. Solange Orbáns Magie wirke, habe niemand die Möglichkeit, sich zur neuen Führungsgestalt Ungarns aufzuschwingen, prognostiziert der Politologe. Ex-Minister János Lázár und der einstige Jobbik-Vorsitzende Gábor Vona hätten das verstanden und sich deshalb von der politischen Bühne verabschiedet. Orbán habe den Weg zurück zur ungarischen Tradition einer dominierenden Partei gefunden. Dagegen seien die vergangenen beiden Jahrzehnte mit einer Vielzahl an Parteien mit wichtigen Aufgaben eher die Ausnahme in der Geschichte Ungarns gewesen, notiert Török.

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