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Ungarischer Europaabgeordneter auf einer Männersex-Party erwischt

3. Dec. 2020

Der Fall des Europaparlamentsabgeordneten Jószef Szájer (Fidesz/EVP) wird nicht nur auf ungarischen Webportalen und in sozialen Medien, sondern auch in der internationalen Presse heftig diskutiert. Dabei geht es unter anderem um die möglichen Auswirkungen des Skandals auf den Streit der ungarischen Regierung mit Brüssel in der Frage der Rechtsstaatskonditionalität von EU-Transferzahlungen.

József Szájer ist in der Nacht vom Freitag zum Samstag von der belgischen Polizei unter dem Verdacht festgenommen worden, gegen die coronavirusbedingte Ausgangssperre verstoßen zu haben. Der Politiker hatte versucht, sich von einer privaten Party abzusetzen. Sowohl der Staatsanwalt als auch Szájer selbst erklärten, in seiner Tasche seien illegale Drogen – eine Extasy-Pille – gefunden worden. Szájer, eine Symbolfigur des Fidesz, der in den Wendejahren eine wichtige Rolle gespielt und 2011 die neue Verfassung Ungarns formuliert hatte, legte noch am Sonntag sein Europaparlamentsmandat nieder. Die Hintergründe seines zunächst überraschenden Rücktritts wurden am Dienstag bekannt.

Mandiner zitiert eine Äußerung der regierungsfreundlichen Enthüllungsjournalistin Kata Jurák, die die Ereignisse in Brüssel als bewusst geplantes Komplott interpretiert. Dabei habe die ungarische Regierung inmitten ihres Konflikts mit der Europäischen Union über ein zur Diskussion stehendes Veto gegen den EU-Haushalt diskreditiert werden sollen.

Auch Tamás Fábián geht davon aus, dass der Szájer-Skandal die Regierung in einem kritischen Augenblick beschädige. Immerhin gehe es gerade darum, mit Hilfe eines Kompromisses die Kluft zwischen der Regierung in Budapest und den wichtigsten EU-Mitgliedsländern in Bezug auf den Haushalt und die Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien zu überbrücken, notiert Fábián auf Telex. Bei Szájer habe es sich um den wichtigsten Unterhändler der Regierung innerhalb der EU gehandelt, dem es oft gelungen sei, Streitigkeiten in der Folge derber Äußerungen seitens ungarischer Offizieller wieder beizulegen.

In einem Beitrag für Hírklikk argwöhnt der Philosoph György Gábor, dass die Party vom Freitag nicht die erste Veranstaltung dieser Art gewesen sei, an der Szájer teilgenommen habe. Stets habe ein Erpressungsrisiko bestanden. Gábor weiß nicht, ob dies jemals wirklich der Fall gewesen sei, doch hielte er es für eine Überraschung, falls nicht. Ansonsten wirft er Szájer – und damit implizit auch dem Fidesz – allgegenwärtige Heuchelei vor, wenn sie sich als Vertreter christlicher Werte ausgeben würden.

Auf seiner Facebook-Seite vermerkt Gábor Bencsik, dass die christliche Moral durch den Skandal des ungarischen Europaabgeordneten nicht diskreditiert worden sei. „Eine wahre Idee wird nicht deshalb abgewertet, nur weil ein Sünder sie vertritt“, unterstreicht der Chefredakteur von Demokrata.

Magyar Nemzet zitiert den linksliberalen Politologen András Pulai mit der Frage, warum Szájers Name nach der Polizeirazzia in Brüssel als einziger an die Medien durchgesickert sei. Unter den 25 Teilnehmern seien in der Tat mindestens zwei Personen gewesen, die der Polizei ihre Diplomatenpässe vorgelegt hätten. Brüssel bilde eine Brutstätte von Geheimdienstaktivitäten, und Pulai vermutet, dass die Geschehnisse Teil einer politischen Auseinandersetzung über viel wichtigere Dinge als diesen speziellen Fall seien.

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