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Erneuter Kulturkrieg wegen des Nazi-Mahnmals

12. Apr. 2014

Vor dem Hintergrund erneuter Baumaßnahmen zur Errichtung eines umstrittenen Weltkriegsmahnmals in Budapest werfen linksorientierte Kommentatoren der Regierung vor, sie buhle um antisemitische Wähler. Ministerpräsident Orbán wiederum wird beschuldigt, früher gegebene Versprechen gebrochen zu haben. Ein konservativer Beobachter vermutet, dass „äußere Kräfte“ den Versuch unternähmen, für die Verfolgung der ungarischen Juden die Durchschnittsungarn anstatt die Nazis verantwortlich zu machen.

Ende Februar hatte die Regierung beschlossen, den Bau des umstrittenen Mahnmals zur Erinnerung an die Besetzung Ungarns durch Nazi-Deutschland 1944 zu verschieben (vgl. BudaPost ab November 2013). In einem offenen Brief an den Nationalrat jüdischer Gemeinden Ungarns (Mazsihisz) hatte Orbán erklärt, seine Regierung bleibe auch künftig einer Politik der Null-Toleranz gegenüber dem Antisemitismus verpflichtet. Orbán schlug vor, dass der Dialog über das Holocaust-Gedenkjahr nach dem Parlamentswahlkampf wieder aufgenommen und nach Ostern fortgeführt werden sollte. „Zwischenzeitlich“, so Orbán, „sollten unsere Arbeitsgruppen ihre Tätigkeit – falls möglich – fortsetzen“. Am Dienstag begannen auf dem geplanten Baugelände vorbereitende Arbeiten. Demonstranten, darunter linke Politiker, rissen an mehreren aufeinanderfolgenden Nachmittagen die zum Schutz der Baustelle errichteten Absperrungen nieder. Die Polizei schritt nicht ein.

Für Ferenc Sinkovics von der Tageszeitung Magyar Hírlap macht die Orbán-Regierung genau das, was sie versprochen habe, nämlich den Bau des Mahnmals zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg nach den Wahlen wieder aufzunehmen, um auf diese Weise der Opfer der Nazi-Invasion von 1944 zu gedenken. Der regierungsfreundliche Kolumnist glaubt, dass „einige globale Mächte Ungarn auf den deutschen Weg zwingen wollen“, mit anderen Worten: Die Ungarn sollten die Kollektivschuld annehmen. Sinkovics erinnert daran, dass Bundeskanzler Konrad Adenauer 1953 die Nazidiktatur und nicht die Durchschnittsdeutschen für die Verbrechen des Holocausts verantwortlich gemacht hatte.

Die Entscheidung für eine Wiederaufnahme der Bauarbeiten sei ein Schlag ins Gesicht derer, die nach dem Brief Orbáns vom Februar auf einen Kompromiss gehofft hatten, stellt János Dési in Népszava fest. Der linksorientierte Kommentator beschuldigt die Regierung, durch die Wiederaufnahme der Bauarbeiten am Mahnmal antisemitische Rechtsradikale zu umgarnen.

Im Leitartikel auf der Titelseite von Népszabadság heißt es, dass die Regierung nach einer kurzen Unterbrechung den symbolischen Kampf dort wieder aufnehme, wo er vor einigen Wochen zunächst eingestellt worden war. Die linke Tageszeitung glaubt, die Regierung habe den Bau des „Kitsch-Golems“ nur deswegen ausgesetzt, weil sich die internationale und nationale Kritik für den Fidesz zu einer zu peinlichen Belastung im Wahlkampf ausgewachsen habe. Népszabadság interpretiert den Brief des Ministerpräsidenten als ein Versprechen, dass das Mahnmal nicht während des ausgesetzten Dialogs errichtet werde. Das Blatt wirf Orbán demzufolge vor, seine frühere Zusage zu brechen.

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