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NGOs wird Veruntreuung vorgeworfen

10. Sep. 2014

Linksliberale Tageszeitungen kritisieren die Regierung massiv, nachdem die Polizei die Büros zweier NGOs durchsucht hatte. Sie glauben, dass es die Behörden lediglich auf der Regierung kritisch gegenüberstehende zivilgesellschaftliche Organisationen abgesehen hätten. Ein führendes Mitglied der größten regierungsfreundlichen Zivilorganisation dagegen weist Vorwürfe über antidemokratische Tendenzen seitens der Regierung zurück.

Am Montag beschlagnahmte die Polizei im Rahmen von Ermittlungen gegen zwei NGOs Dokumente und Computer. Die mit Projekten des „Norwegian Fund“ betrauten Organisationen sind der Veruntreuung verdächtig. Norwegen, Island und Liechtenstein genießen freien Zugang zu den EU-Märkten, ohne sich an den Kosten der Union zu beteiligen. Um diesen Vorteil zu kompensieren, unterstützen sie die sich entwickelnden Mitgliedsstaaten. In Ungarn geben sie jährlich 45 Milliarden Forint aus, von denen ein Zehntel auf NGOs verteilt wird. Die Regierung glaubt nun, dass die betrauten Organisationen in Verbindung zu Oppositionsparteien stehen und in vielen Fällen politische statt zivilgesellschaftliche Initiativen gesponsert haben. Der Fall hat eine offene Kontroverse zwischen der ungarischen und der norwegischen Regierung ausgelöst. Letztere setzte die Zahlung derjenigen 90 Prozent der Mittel aus, die von der Regierung verwaltet werden. Die Behörden fanden heraus, dass die beiden „Mittler-NGOs“ regelmäßig Kredite zur Förderung von Bürgerinitiativen erteilt hätten, wobei es sich laut den Behörden um verbotene Bankgeschäfte und die unzulässige Nutzung von Stiftungsgeldern gehandelt habe.

Népszabadság wirft der Regierung vor, sie habe die Polizei aus rein politischen Gründen angewiesen, die Räume der beiden Stiftungen zu durchsuchen. In ihrem Leitartikel zitiert die linke Tageszeitung den Ministerpräsidenten, der angedeutet hatte, dass diese NGOs politische Interessen vertreten würden – und ausländische noch dazu. In einem sarkastischen Schlusswort ruft Népszabadság die Regierung auf, fehlende Mehrwertsteuerzahlungen im Volumen von mehreren hundert Milliarden zu untersuchen, nachdem man erfolgreich die Angelegenheit mit den 4,5 Milliarden des „norwegischen NGO-Fonds“ aus der Welt geschafft habe.

Das Problem der Regierung bestehe darin, dass sie keine NGO außerhalb ihrer eigenen Kontrolle toleriere, konstatiert Péter Somfai in Népszava. Auf der anderen Seite fördere sie großzügig CÖF, das Bürgereinheitsforum, das mehrere Märsche zur Unterstützung des Ministerpräsidenten und seines Kabinetts organisiert und in der letzten Woche sogar einen Brief an US-Präsident Obama geschickt habe. Darin sei gegen Appelle seitens führender amerikanischer Medien Richtung Europäische Union protestiert worden, wegen offensichtlich antidemokratischer Tendenzen finanzielle Sanktionen gegen Ungarn zu verhängen.

Der Politikwissenschaftler Tamás Fricz, einer der Autoren des Briefes an Obama, argumentiert in Magyar Nemzet: Der Gedanke von Sanktionen gegen Ungarn sei fehl am Platz, „denn es handelt sich nicht um Nordkorea, Kuba oder China“. Die Politik der Regierung könne man berechtigterweise ablehnen, aber entsprechende Debatten seien ein Meinungsaustausch im Rahmen der Demokratie. Die Kritik des Ministerpräsidenten an der „liberalen Demokratie“ sollte korrekt als Ablehnung einer „neokonservativen Demokratie“ mit ihren unregulierten Marktkräften übersetzt werden, erklärt der Autor. Ungarn sei weder eine Autokratie, noch eine Diktatur oder ein antisemitisches Land, stellt Fricz klar. Es experimentiere mit neuen Modellen im Rahmen grundlegender Menschenrechte und der Demokratie.

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