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Erste Reaktionen auf Putin-Besuch

19. Feb. 2015

Linke und liberale Kolumnisten werfen Ministerpräsident Orbán vor, dem russischen Präsidenten Putin bei seinen geopolitischen Tricksereien Hilfestellung zu leisten. Ein regierungsfreundlicher Analyst meint, Ungarn müsse ebenso wie Europa aus pragmatischen Gründen gute Beziehungen zu Russland aufrechterhalten.

Auf einer Pressekonferenz im Anschluss an ein zweistündiges Gespräch mit dem russischen Präsidenten teilte Ministerpräsident Orbán mit, dass Ungarn den bislang nicht genutzten Anteil jenes Gases erwerben könne, das dem Land laut der 1996 geschlossenen und in diesem Jahr auslaufenden ungarisch-russischen Rahmenvereinbarung über Gaslieferungen zusteht. Gemäß dem ursprünglichen Abkommen hätte Ungarn für die Gesamtmenge des zugewiesenen Gases zahlen müssen, selbst wenn Teile davon ungenutzt geblieben wären. Orbán betonte, dass europäische Energiesicherheit eine Zusammenarbeit mit Moskau zur Voraussetzung habe. Russlands Präsident Putin gab zu Protokoll, dass die Vereinbarung über die Erweiterung des AKW Paks die Energiepreise reduzieren und 10.000 Arbeitsplätze schaffen werde. Er kündigte an, Moskau wolle eine Alternative zum fallengelassenen Pipeline-Projekt „South Stream“ ausfindig machen. In Hinblick auf die Ukraine-Krise drückte er seine Hoffnung aus, dass die Minsker Vereinbarung eingehalten werde, und rief die ukrainischen Streitkräfte dazu auf, Debalzewe aufzugeben und ihre Niederlage einzugestehen. Der Präsident machte die ukrainische Regierung für den Ukraine-Konflikt verantwortlich, die – so behauptete er – sich entschlossen hätte, Waffen anstatt Verhandlungen zu benutzten, um Konflikte beizulegen.

Népszabadság wirft Ministerpräsident Orbán in einem Kommentar auf der Titelseite vor, bei den Konflikten Putins mit dem Westen Partei für den russischen Präsidenten zu ergreifen. Die führende linksliberale Tageszeitung nennt es beschämend, dass Orbán kein Wort über die Behauptung Putins verloren habe, wonach einzig die ukrainische Regierung für die Ukraine-Krise verantwortlich sei. Auch verurteilt die Zeitung den Ministerpräsidenten, weil er – wie Népszabadság es sieht – durch sein Geschäftsgebaren gegenüber Russland die europäische Energiesolidarität im Stich gelassen habe.

Putin habe seinen Gastgeber durch die Ehrung von sowjetischen Soldaten gedemütigt, die an der Invasion 1956 zur Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes teilgenommen haben, schreibt Péter Magyari auf 444. (Während seines Besuches legte Putin einen Kranz am Denkmal für die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sowjetsoldaten nieder und passierte, ohne jedoch wirklich anzuhalten, ein Denkmal für Rotarmisten, die während des antisowjetischen Aufstandes 1956 getötet worden waren. An der Ehrenerweisung durften ausschließlich russische Journalisten teilnehmen – Anm. d. Red.) Für den liberalen Analysten ist das Gedenken ein klarer Hinweis darauf, dass Putin nach wie vor der totalitären russische Vergangenheit die Ehre erweise. Für Magyari ist Putin in einer Demonstration der Stärke nach Budapest gekommen, sei er doch „in einem NATO-Mitgliedsland herummarschiert“ und habe die ungarische Regierung benutzt, um bei dieser Nummer zu assistieren.

Währen seines Besuches in Budapest habe Putin im Nachgang des Minsker Abkommens zu demonstrieren versucht, dass er Russland nicht von Europa isolieren wolle, schreibt Gábor Stier in Magyar Nemzet. Nach Einschätzung des konservativen Kolumnisten habe Ministerpräsident Orbán in weiser Voraussicht die Möglichkeit genutzt, um ein Gaslieferabkommen auszuhandeln, das Ungarns Energiesicherheit erhöhen werde. Europäische Energiesicherheit könne ohne Russlands Beteiligung nicht erreicht werden, fährt der Autor fort. Kooperation mit Russland sollte nicht im Lichte historischer Kränkungen oder als Verrat an der europäischen Solidarität verstanden werden, warnt Stier.

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