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Ungarischer Sonderstatus beim EU-Quotensystem für Migranten

27. Jun. 2015

 

Laut einem Beschluss des jüngsten EU-Gipfels gelten nunmehr unionsweit freiwillige Einwanderungsquoten. Ungarn kommt demnach in den Genuss einer Sonderregelung. Vor diesem Hintergrund sind sich die Kommentatoren uneins, ob Ministerpräsident Orbán die anderen EU-Staaten von Ungarns Bedürfnissen hinsichtlich der Einwanderung habe überzeugen können.

Am Freitag entschied der Europäische Rat, dass die Anwendung der verabschiedeten EU-Einwanderungsquoten freiwillig sein wird. Der EU-Ratsvorsitzende Donald Tusk kündigte an, dass die speziellen Interessen Ungarns und Bulgariens sowie deren Status bei der Berechnung der Quoten berücksichtigt werden, da diese Länder neben Italien zu den Hauptzielen von Migranten ohne Ausweispapiere gehören. Im Ergebnis wird Ungarn weniger oder keine solche Flüchtlinge aufnehmen müssen, die Italien oder Griechenland verlassen sollen.

Im Leitartikel auf der Titelseite (verfasst augenscheinlich vor der Anerkennung von Ungarns besonderer Situation durch den Rat – Anm. d. Red.) heißt es bei Népszabadság, dass Ministerpräsident Orbán damit gescheitert sei, die EU-Führung von Ungarns speziellem Status in Einwanderungsfragen zu überzeugen. Die links ausgerichtete Tageszeitung fügt hinzu, dass Ungarn über keinerlei Kapazitäten verfüge, um weitere Migranten aufnehmen zu können. Népszabadság vermutet dessen ungeachtet, dass sich die von der Regierung angedrohte Schließung der Grenze kontraproduktiv auswirken könnte, da diese Ankündigung illegalen Migranten signalisiere, sie sollten sich lieber sofort auf den Weg machen, falls sie noch vor der Verschärfung der Grenzkontrollen nach Ungarn einreisen wollten. Für Népszabadság ist Ministerpräsident Orbán mit dem Versuch gescheitert, die EU-Spitzenpolitiker von den ungarischen Bedürfnissen nach spezieller Aufmerksamkeit und Hilfe zu überzeugen, „weil Ministerpräsident Orbán von Brüssel nicht ernst genommen wird, selbst wenn er berechtigte Argumente in Feld führen kann“.

„Eine Meisterleistung von Ministerpräsident Orbán in Brüssel”, kommentiert Péter Magyari auf 444. Orbán habe auf dem Ratstreffen alles Gewünschte erreicht, glaubt der liberale Kommentator: Verpflichtende Flüchtlingsquoten seien nicht gebilligt worden und Ungarn werde nicht gezwungen sein, auch nur einen einzigen von denjenigen 60.000 Flüchtlingen aufzunehmen, denen der Rat Asyl zugesagt habe. Darüber hinaus habe Orbán die führenden Repräsentanten der EU davon überzeugt, dass Ungarn als Hauptziel von Migranten ohne Ausweispapiere einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfe. Magyari vermutet, dass die Drohung der Regierung, die Dublin-Vereinbarung außer Kraft zu setzen (vgl. BudaPost vom 25. Juni), letztendlich Wirkung gezeigt sowie dem Ministerpräsidenten geholfen habe, Ungarn auf die EU-Agenda zu setzen und den Rat davon zu überzeugen, dass das Land eine spezielle Hilfe – nach italienischem Muster – benötige.

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