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Schwimmtrainer tritt 55 Jahre nach einer Verurteilung wegen Vergewaltigung zurück

9. Apr. 2016

Angesichts des Rücktritts von László Kiss, dem langjährigen Coach des ungarischen Schwimmteams, sind sich die Kommentatoren uneins in der Frage, ob seine Verurteilung in jungen Jahren schwerer wiege als 16 olympische Goldmedaillen, die seine Schützlinge in den vergangenen Jahrzehnten gewonnen hatten.

László Kiss (74) trat am Donnerstag von seinem Posten zurück, obwohl ihm der Vorstand des ungarischen Schwimmverbandes einstimmig das Vertrauen ausgesprochen hatte. Kiss erklärte, seine Gesundheit habe aufgrund der „unbegründeten Angriffe“ auf seine Integrität gelitten. Gleichzeitig bestritt Kiss die Vergewaltigung eines Mädchens, das ihn sowie zwei seiner Freunde im Jahre 1961 angezeigt hatte. Zugleich wies er den Verdacht zurück, er habe von der politischen Polizei des kommunistischen Regimes angeworben sein müssen, um nach Verbüßung von zwei Dritteln einer dreijährigen Gefängnisstrafe als Schwimmtrainer engagiert zu werden.

In einer wie so oft mit deftigen Ausdrücken bespickten Kolumne verteidigt Zolt Bayer Kiss und nennt seine Kritiker „Ratten“. Er selbst sei vor 40 Jahren Schwimmsportler gewesen und habe Kiss, dessen Vergangenheit in der Welt des Schwimmsports kein Geheimnis gewesen sei, persönlich gekannt, erinnert sich Bayer in Magyar Hírlap. Allerdings seien die Schwimmer allgemein davon ausgegangen, dass sich der Geschlechtsverkehr in gegenseitigem Einvernehmen abgespielt habe. Wie dem auch sei, fünfzig Jahre einer untadeligen Karriere als Trainer von unzähligen Schwimmern beiderlei Geschlechts müssten in der Bilanz schwerer wiegen. „Das hat er nicht verdient. Jedenfalls nicht von diesen Ratten“, echauffiert sich Bayer abschließend.

Róbert Puzsér von der Tageszeitung Magyar Nemzet drückt sein Bedauern darüber aus, dass „ein alter Mann öffentlich der Schande preisgegeben wird“. Allerdings hat Puzsér keinerlei Zweifel an der Richtigkeit der Beschuldigung sowie der vor 55 Jahren erfolgten Verurteilung von Kiss und seinen Freunden, denn die Welt des Schwimmsports basiere auf Gewalt. Kinder würden jahrelang dazu gezwungen, sich einem rigorosen Training zu unterziehen, um aus ganz wenigen eine außerordentliche Leistung herauszupressen, ist der Autor überzeugt. Jedem Straftäter sollte eine zweite Chance im Leben gegeben werden, räumt der Journalist ein, doch werde er unwillkürlich an eine Reihe von Sex-Skandalen in der Welt der Schwimmer erinnert. Deswegen könne er sich nicht einfach abwenden. „Zu viele Leute haben genau das in den vergangenen 50 Jahren getan“, bedauert Puzsér.

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