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Weg frei für Referendum über Sonntagsverkaufsverbot

8. Apr. 2016

Das höchste ungarische Gericht hat den Weg für ein Referendum über das gegenwärtig gültige Ladenschlussgesetz geebnet. Es schreibt bekanntlich vor, dass Geschäfte ab einer bestimmten Größe sonntags geschlossen bleiben müssen. Kommentatoren, die sich seit Jahren über „ein Ende des Rechtsstaates“ beklagen, drücken nunmehr vorsichtig ihre Zufriedenheit aus und beschreiben die Entwicklung als Überraschung.

Der oberste ungarische Gerichtshof (Kurie) hat wie erwartet eine Entscheidung des Nationalen Wahlbüros über ein von einer Bürgerin unter dubiosen Umständen beantragtes Referendum gekippt. Wie berichtet (vgl. BudaPost vom 25. Februar) war die Dame mit ihrem Antrag einem sozialistischen Politiker nur um Minuten zuvorgekommen, obwohl der MSZP-Vertreter deutlich früher beim zuständigen Wahlbüro erschienen war. Allerdings wurde er von einer Gruppe kräftiger Männer daran gehindert, seinen Referendumsantrag offiziell einzureichen. Die Kurie hat die Entscheidung der Wahlbehörde annulliert und gleichzeitig dem Antrag des sozialistischen Politikers stattgegeben.

„Urplötzlich ist Ungarn zur Schweiz Osteuropas mutiert“, schreibt Népszabadság in ihrem Leitartikel auf der Titelseite und begründet dies damit, dass zwei weitere Fragen per Volksentscheid entschieden werden könnten, falls innerhalb von 120 Tagen die notwendigen 200.000 Unterschriften gesammelt werden sollten. (Bei der einen Frage geht es um das Verbot, staatliches Ackerland zu verkaufen, und bei der zweiten um die Einführung einer monatlichen Gehaltsobergrenze von zwei Millionen Forint für Beamte. Ein viertes Referendum wird von der Regierung selbst angestrengt. In ihm geht es um die von der EU geforderte verpflichtende Quote bei der Umverteilung von Flüchtlingen – Anm. d. Red.) Das Referendum zur Quote, so glaubt Népszabadság, dürfte nur dann erfolgreich sein, falls die Frage gemeinsam mit den drei übrigen zur Abstimmung komme.

Árpád W. Tóta hält es für eine ausgemachte Sache, dass das Referendum über das Sonntagsverkaufsverbot von der Opposition gewonnen werden wird – vorausgesetzt, die Regierung schafft das Gesetz nicht vorher selbst ab, um einer Niederlage zu entgehen. Auf HVG online schreibt Tóta: „Sie sollten ihren Irrtum zugeben. Uns allen würde es besser gehen, wenn sie lernen würden, Irrtümer zuzugeben.“

Magyar Narancs zitiert ihren eigenen vor drei Jahren erschienenen Artikel, in dem das linksliberale Wochenmagazin vom „Ende der Politik“, also vom Ende des freien Wettbewerbs der öffentlichen Politik geschrieben hatte. „Nunmehr verändern sich die Dinge – vielleicht“, schreibt das Blatt angesichts des Gerichtsbeschlusses und äußert die Hoffnung, dass die drei Referenden „den Anfang vom Ende des Orbán-Regimes markieren“.

In Magyar Nemzet rät György Pápay den politischen Entscheidungsträgern dringend, das Verkaufsverbot an Sonntagen aufzuheben, um „dem Referendum den Zahn zu ziehen“. Andererseits ermahnt er auch die Behörden, sie sollten Maßnahmen zur Bestrafung der „Glatzköpfe“ ergreifen, die, wie die Kurie festgestellt habe, den Initiator des Referendums an der Ausübung seines verfassungsmäßigen Rechts gehindert hätten.

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