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Wochenpresse blickt auf die Zielgerade der Oppositionsvorwahlen

18. Oct. 2021

In Wochenzeitungen und -magazinen – alle erschienen vor dem Abschluss der oppositionellen Vorwahlen am Samstag – werden die Chancen der beiden verbliebenen Kandidaten, ihre Aussichten bei den Parlamentswahlen im April 2022 sowie die wichtigsten Aufgaben der Regierungsgegner nach den Vorwahlen unter die Lupe genommen.

In einem im linksorientierten Wochenmagazin 168 Óra erschienenen Artikel vertritt der regierungsnahe Analyst Tamás Lánczi die Ansicht, dass die Vorwahlen der Opposition kontraproduktiv gewesen seien. Sie hätten die Linke polarisiert. Auch dürften die heftigen persönlichen Auseinandersetzungen zwischen der Kandidatin und dem Kandidaten die Wählerinnen und Wähler verprellen, meint Lánczi. Wer auch immer der Oppositionskandidat für das Amt des Ministerpräsidenten sein werde – der eigentliche Gewinner heiße Ferenc Gyurcsány: Er habe sich aus der Schlammschlacht herausgehalten und seine Position als Vorsitzender der größten Linksfraktion im Parlament werde ihm die Vorherrschaft verschaffen, selbst wenn Márki-Zay Ministerpräsident werden sollte.

Sowohl die Bewerberinnen und Bewerber als auch die meisten parteigebundenen Analysten seien mit ihrer Behauptung, ihre jeweiligen Gegner hätten keinerlei Chance auf einen Sieg über Ministerpräsident Orbán, zu weit gegangen, notiert ebenfalls in 168 Óra Richard Szentpéteri Nagy. Derartige Aussagen würden es dem Sieger der Vorwahlen schwerer machen, Wählerinnen und Wähler zu sammeln und sie davon zu überzeugen, dass sie die Wahl gewinnen könnten, beklagt der linke Kommentator.

László Szentesi Zöldi vom Wochenmagazin Demokrata schreibt, dass die Rechte der Opposition für deren Vorwahlinitiative dankbar sein sollte. In den Augen des regierungsnahen Kolumnisten haben sich die oppositionellen Spitzenpolitiker gegenseitig politisch vernichtet. Die größten Verlierer seien Péter Jakab (Jobbik), András Fekete-Győr (Momentum) sowie der Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony, behauptet Szentesi Zöldi. Sollte Márki-Zay die Vorwahlen gewinnen, sei ein weiteres großes Spektakel zu erwarten, da der Bürgermeister von Hódmezővásárhely wahrscheinlich massive Konflikte mit der Demokratischen Koalition als der stärksten Oppositionspartei werde ausfechten müssen, prophezeit der Autor. Der Fidesz werde die zerschmetterte Opposition bei den Wahlen im April besiegen, gibt sich Szentesi Zöldi überzeugt.

Im Leitartikel auf Seite eins von Magyar Narancs loten die Autoren die Chancen eines Sieges der beiden verbliebenen Kandidaten über die Regierungsparteien im kommenden April aus. Die liberale Wochenzeitung scheut eine konkrete Prognose, merkt aber an, dass Klára Dobrev sowohl in den Städten als auch auf dem Land mehr Stimmen erhalten habe als Péter Márki-Zay. Magyar Narancs hält es auch für unwahrscheinlich, dass Márki-Zay im April mehr konservative und rechte Wähler überzeugen könnte als Dobrev. Das Wichtigste sei jetzt Mäßigung, schreiben die Leitartikler und fordern die Kandidatin und den Kandidaten auf, sich in den letzten Tagen des Vorwahlkampfes gegenseitig keine tiefen Wunden zu schlagen, denn ab nächster Woche müsse die Opposition Schulter an Schulter agieren, um den Fidesz in sechs Monaten zu besiegen.

Árpád W. Tóta von Heti Világgazdaság appelliert an die Opposition, sie möge nach Abschluss der Vorwahlen eine Schattenregierung bilden. Nach Ansicht des liberalen Kommentators könnte die Opposition auf diese Weise ihre Unterstützung weiter ausbauen und die Wähler von ihrer Regierungsbereitschaft überzeugen. Dieser Schritt würde auch mit den Ergebnissen der Vorwahlen unzufriedenen Wählerinnen und Wählern helfen, sich wieder auf eine Linie mit der Opposition zu bringen und ihre Verzweiflung zu überwinden, mutmaßt Tóta.

Die Vorwahlen hätten sich als eine erfolgreiche Übung erwiesen. Diese Einschätzung stammt aus der Feder von Attila Juhász. In der Wochenzeitung Élet és Irodalom erinnert der linksliberale politische Berater daran, dass die Wahlbeteiligung mehr als doppelt so hoch wie ursprünglich erwartet ausgefallen sei, was die Stärke der Opposition unter Beweis stelle. Die Vorwahlen hätten zudem die Wahrnehmung der Opposition verbessert und ihr die Möglichkeit geboten, mit einem breiten Spektrum von Wählerinnen und Wählern auf Tuchfühlung zu gehen, fügt Juhász hinzu, räumt jedoch ein, dass die Vorwahlen auch die tiefen ideologischen Differenzen innerhalb der Opposition deutlich gemacht hätten. Trotzdem ist Juhász der Auffassung, dass die unterschiedlichen Visionen der Opposition der Bindung von Wählerinnen und Wählern dienen könnten – vorausgesetzt, die ideologischen Gräben seien nicht zu tief und die Auseinandersetzungen nicht zu heftig.

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