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Kämpft Simicska seinen Medienkrieg allein aus?

9. Feb. 2015

Die Kommentatoren machen sich Gedanken darüber, wie weit die Fehde zwischen Ministerpräsident Orbán sowie seinem einstigen Freund und Schatzmeister wohl gehen werde und welche Auswirkungen sich für die wichtigsten rechtsorientierten Medien ergeben, die ja letzten Endes Eigentum Simicskas sind.

In Magyar Hírlap äußert sich Zsolt Bayer überzeugt, dass der Plan von Simicska, sein Medienimperium gegen der Regierungschef in Stellung zu bringen, unrealistisch sei. Die dort arbeitenden Journalisten hätten sich aus Überzeugung dafür entschieden, gleiches gelte für die Leser, Zuschauer und Zuhörer. Der Journalist mit dem Fidesz-Mitgliedsausweis Nummer fünf räumt ein, dass der Fidesz ohne Simicska bereits vor 20 Jahren aufgehört hätte zu existieren. (Simicska hatte den finanziellen Rahmen geschaffen, der zur Unterhaltung einer politischen Partei unbedingt notwendig war. Zudem kümmerte er sich um den Aufbau des hinter dem Fidesz stehenden Mediensystems mit einem Fernsehsender, einer Rundfunksenderkette sowie verschiedenen Tageszeitungen, darunter Magyar Nemzet – das übrigens die Entwicklungen vom Wochenende nicht kommentierte – Anm. d. Red.) Bayer schreibt: „Was Simicska jetzt macht, ist abscheulich“, und zwar ungeachtet all seiner früheren Verdienste. Auch begrüßt der regierungsfreundliche Journalist den Rückzug praktisch aller leitenden Redakteure des Simicska-Imperiums „als einen Akt des Gewissens“.

In seinem letzten Interview vor der Abreise zu einem einwöchigen Auslandsurlaub teilte Simicska Magyar Narancs online höchst persönlich mit, seine Divergenzen mit dem Ministerpräsidenten seien nicht lediglich finanzieller Natur. (Der Zwist war am Donnerstag ausgeufert, als Simicska für den Fall der Einführung einer fünfprozentigen allgemeinen Werbesteuer mit einem totalen Medienkrieg gedroht hatte. Diese Steuer würde Verluste ausgleichen, die durch den Verzicht auf eine dem in deutschem Besitz befindlichen Sender RTL Klub auferlegte 50-prozentige Steuer entstehen würden. Diese ausschließlich RTL Klub betreffende Steuer war nach intensiven ungarisch-deutschen Konsultationen gestrichen worden – Anm. d. Red. Mehr dazu auf BudaPost vom 7. Februar.) Nach Angaben Simicskas lehne er die Annäherung an Russland ab, sehe er doch keinen Unterschied zwischen dem aktuellen russischen und dem Sowjetregime. Auch warf er Orbán vor, gerade „eine weitere Diktatur“ zu errichten. Schließlich teilte Simicska den Redakteuren von Magyar Narancs mit, er habe geglaubt, bei Orbán handele es sich um einen Staatsmann. Dies sei jedoch eine Fehleinschätzung gewesen.

In einer ganzen Serie von Telefoninterviews hatte Simicska den Ministerpräsidenten mit einigen nicht druckreifen Kraftausdrücken belegt. Bis dahin hatte er sich gegenüber der Presse praktisch jahrzehntelang nicht geäußert. Eines dieser Wörter mit vier Buchstaben wurde dann erstmals auf der Meinungsseite der Wochenendausgabe der seriösen Tageszeitung Népszava gedruckt, und zwar als Überschrift einer Kolumne von Chefredakteur Péter Németh. (BudaPost übersetzt dieses Wort einmal sehr euphemistisch und im Sinne des Anstands als „mieser Kerl“.) Németh bittet für den Druck dieses Wortes um Entschuldigung, glaubt aber, es spiegele die Schwere des Zerwürfnisses zwischen den beiden Freunden von einst wider. Ein weiterer vergleichbarer Hinweis ist laut Németh die Äußerung des Medienmagnaten, wonach er möglicherweise ermordet werden könnte.

Auf Válasz.hu, der Internetseite von Heti Válasz, kritisiert Anita Élő die pauschale Werbesteuer, die die RTL Klub auferlegte Strafabgabe ablösen soll. Die Autorin kann keinen einsichtigen Grund für deren Erhebung erkennen – außer, dass die Regierung eine „finanztechnisch vernachlässigbare“ Summe eintreiben wolle, um das zu ersetzen, was RTL Klub Erwartungen zufolge hätte blechen müssen. (Die Regierung hatte im unmittelbaren Vorfeld der Budapest-Visite von Bundeskanzlerin Angela Merkel am 2. Februar den Verzicht auf die Steuer beschlossen. Der für das Amt des Regierungschefs zuständige Minister Lázár hatte dagegen verkündet, die Steuer habe wieder abgeschafft werden müssen, weil sie in den Augen der Europäischen Kommission eine Benachteiligung darstelle und Brüssel Ungarn mit einem Vertragsverletzungsverfahren gedroht habe – Anm. d. Red.) Es wäre doch eigenartig, schreibt Anita Élő, wenn rechtsorientierte Personen sich gegenseitig bekämpfen würden, nun, da der „der linke Feind“ nirgendwo zu sehen sei – und ungeachtet dessen, was mit den ungarischen Zeitungen und deren Millionen von Leserinnen und Lesern passieren würde. Vielleicht haben sie noch nicht begriffen, dass ohne eine starke (oppositionelle und regierungsfreundliche) Presse „die Demokratie in eine Schieflage geraten könnte“.

Miklós Hargitai äußert in Népszabadság die Erwartung, dass das Medienimperium von Simicska nunmehr kritischer mit der Regierung umgehen werde. Allerdings könnte sich diese Strategie als unhaltbar entpuppen. Rechtsorientierte Journalisten seien einfach unterwürfig und daran gewöhnt, Propaganda zu treiben, anstatt eine Art öffentliche Kontrolle ihres eigenen politischen Lagers auszuüben, glaubt der Autor. Andererseits ist er überzeugt, dass die rechte Öffentlichkeit der Meuterei Simicskas nicht folgen werde, denn diese Menschen seien an den Ministerpräsidenten durch die Fesseln eines „quasi religiösen Glaubens“ gebunden. Unter solchen Bedingungen werde es ein Medienunternehmen schwer haben, „sich von Viktor Orbán zu lösen“. Es sei der Ministerpräsident, der über die Loyalität der Leser und Zuschauer verfüge, nicht jedoch die Tageszeitungen sowie die Fernseh- und Rundfunksender, konstatiert Hargitai abschließend.

Auf Mandiner pflichtet Ákos Gergely Balogh dem bekannten Blogger Péter Kóczián bei, der die Ansicht vertritt, dass die enorme Machtfülle Simicskas zu einer immer größeren Bürde für Ministerpräsident Orbán geworden sei, der sich von ihr in seiner Ellenbogenfreiheit eingeschränkt gefühlt habe. Unterdessen äußert Balogh die Ansicht, dass die neue pauschale Steuer die nationale Presse bedrohen und es den ungarischen Medien noch schwerer machen werde, mit internationalen Riesen wie Google und Facebook mitzuhalten, die doch eine immer größere Öffentlichkeit und mehr Werbekunden anzögen, allerdings keinerlei Steuern in Ungarn zahlten. Eine facettenreiche nationale Presse sei ein nationaler Grundwert und Népszava oder Magyar Nemzet gehörten zum nationalen Erbe, was immer man auch über ihre gegenwärtigen journalistischen Inhalte denken möge, ruft Balogh in Erinnerung.

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