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Riesenwirbel um Horthy-Büste

7. Nov. 2013

Nach Ansicht eines rechts der Mitte stehenden Kommentators sollte die Ära Horthy von Historikern bewertet werden, anstatt dem Reichsverweser neue Denkmäler zu setzen. Die Reformierte Kirche Ungarns kündigte eine Untersuchung der Schlüsselrolle an, die ein rechtsgerichteter Pfarrer bei der Zeremonie gespielt hatte.

Am Sonntag, dem 3. November, wurde auf den Treppenstufen einer kalvinistischen Kirche im Zentrum von Budapest eine Büste von Miklós Horthy, dem umstrittenen ungarischen Führer in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, enthüllt. Bei der Zeremonie waren neben mehreren hundert Sympathisanten sowie etwa halb so vielen Gegendemonstranten auch einige Parlamentarier der extrem rechtsgerichteten Partei Jobbik anwesend. Lóránt Hegedűs, ein für seine rechtsradikale Gesinnung bekannter reformierter Geistlicher, zeichnete als Pfarrer der Kirche für den Schauplatz der Zeremonie verantwortlich. Unterdessen eröffnete die Reformierte Kirche gegen Hegedűs, dem häufig eine anti-semitische Haltung nachgesagt wird, eine Untersuchung. Zudem protestierten mehrere Pfarrer in einem offenen Brief gegen die politische Rolle ihres Amtsbruders. Die Regierung erklärte – wobei sie Stellungnahmen der Mitte-Rechtspresse aufgriff – Horthy müsse von Historikern bewertet werden. Sein Erbe sei nicht über jeden Zweifel erhaben: Während seine Teilnahme am Krieg sowie die Verfolgung der Juden nicht hinnehmbar seien, stelle die Einführung des Sozialversicherungssystems einen positiven Aspekt seines Vermächtnisses dar.

In Mandiner äußert sich ein Autor zu dem Thema, der seine Artikel mit „Agent Ungur“ (rumänisch für „ungarischer Agent”) unterzeichnet. Er kritisiert, die neue Horthy-Statue habe „einen Ausbruch der üblichen Hysterie“ bewirkt, bei der Demonstranten Horthy mit Hitler verglichen und Unterstützer ihn wiederum als den größten Staatsmann Ungarns des 20. Jahrhunderts tituliert hätten. Keine dieser Behauptungen entsprächen ganz der Wahrheit, schreibt der Autor. Horthy habe angesichts zweier aggressiver und Ungarn gefährdender Diktaturen unter gewaltigem geopolitischen Druck agiert. Selbst wenn der Eintritt Ungarns in den Krieg ein Fehler gewesen sei, so hätte Widerstand gegen den deutschen Druck dazu geführt, dass die Deutschen Ungarn mit ihren slowakischen Verbündeten früher als im März 1944 besetzt hätten. Allerdings habe Horthy den Versuch vermasselt, sich auf die Seite der Alliierten zu schlagen. Weder habe er der deutschen Invasion noch der totalen Machtübernahme durch pro-nazistische Kräfte widerstanden. Horthys Leben könne nicht einfach vor dem Hintergrund seines Antisemitismus bewertet werden. Vielmehr gelte es, ihn von Historikern in sämtlichen Schattierungen beurteilen zu lassen – ein Prozess, der, so vermutet der Autor, eine lange Zeit in Anspruch nehmen wird. Anstatt Straßen nach ihm zu benennen, sollten wir unseren Blick auf das Ungarn des zwanzigsten Jahrhunderts richten und es verstehen.

Reformatus.hu, das Onlineportal der Reformierten Kirche Ungarns, wartet mit einem Text auf, in dem das Vorgehen von Lóránt Hegedűs, dem Gastgeber der umstrittenen Veranstaltung, hinterfragt wird. Gemäß eines Synoden-Beschlusses aus dem Jahre 1988 heißt es eindringlich, die Kirche dürfe „an keiner Veranstaltung teilnehmen, die von bzw. gemeinsam mit politischen Parteien oder Organisationen ausgerichtet wird, deren Ideologie im Widerspruch zur Botschaft der Kirche steht“. Der Artikel fährt mit unkommentierten Zitaten von Äußerungen des Pfarrers fort, darunter auch der Satz: „Sie erwarten von uns, dass wir uns entschuldigen, während sie so tun, als hätten sie nichts gegen uns getan.“ („Sie“ wird in einer derartigen Stellungnahme von der rechtsradikalen Zuhörerschaft gewöhnlich als Juden interpretiert, Anm. d. Red.) Darüber hinaus lässt Reformatus.hu Hegedűs auch mit der Erwähnung (des israelischen Präsidenten) Simon Perez und Israels als Gefahren für Ungarn zu Wort kommen.

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