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Nationaler Sicherheitsdienst gibt Akten zur Őszöd-Untersuchung frei

24. Feb. 2014

Kommentatoren des linken Spektrums halten die freigegebenen Dokumente nicht für überzeugend und vermuten, dass sie Wahlkampfzwecken dienen könnten. Nichtsdestotrotz ruft die führende linke Tageszeitung Ex-Premier Ferenc Gyurcsány auf, sein Wissen zur Sache offenzulegen, wenn er seinen eigenen Namen reinwaschen wolle.

Die von Ferenc Gyurcsány in der Ortschaft Őszöd gehaltene Rede beinhaltete explosive Passagen, die 2006 Unruhen in Budapest auslösten und die Glaubwürdigkeit des damaligen Ministerpräsidenten untergruben. In seiner stellenweise vulgären Rede vor Mitgliedern der sozialistischen Parlamentsfraktion wenige Wochen nach dem Wahlsieg der Sozialisten vom Mai 2006 gab Gyurcsány zu, die Wähler über den wahren Zustand des Landes bewusst belogen zu haben. Die Rede sickerte am 17. September 2006 zu Radiostationen durch. Gyurcsány hatte gelegentlich angedeutet, dass einige Mitglieder seiner eigenen Partei dafür verantwortlich gewesen seien. In einem TV-Interview am Samstag vergangener Woche bestätigte er, dass er von der Beteiligung „zweier Männer und einer Frau“ ziemlich überzeugt sei. Jedoch weigerte er sich, Namen zu nennen, deutete aber an, dass es sich bei den drei Personen um innerparteiliche Gegner gehandelt habe. Vor zwei Jahren war ein bis dahin nicht in Erscheinung getretener Mann mit einer Geschichte aufgetaucht, wonach sozialistische Spitzenpolitiker die Aufnahme einem rechtsradikalen „Freiheitskämpfer“ übergeben haben sollen, der noch Kontakte zu den Sozialisten aus seiner Zeit als militanter Linker pflegte. Er sollte die Aufnahme an Kontaktpersonen aus rechten Kreisen weiterleiten. Der besagte Mann, Eduardo Rózsa-Flores, wurde in der Zwischenzeit in seinem Heimatland Bolivien getötet, wo er angeblich in einen gescheiterten Putsch gegen die bolivianische Regierung verwickelt gewesen sein soll.

In Népszava äußert Chefredakteur Péter Németh die Vermutung, dass die Geschichte, die im Vorfeld der Wahlen der MSZP eigentlich hätte Schaden zufügen sollen, nach hinten losgehen könnte. Auch wenn Namen aus dem Dokument geschwärzt worden seien, werde deutlich, dass nach Auftreten der undichten Stelle die Aufnahme in einem nicht näher genannten Fidesz-Büro auf verschiedene CDs gebrannt und den Medien zugespielt worden sei. Németh hofft, die Öffentlichkeit möge es als Sündenfall empfinden, dass Fidesz die Geheimnisse einer anderen Partei aus dem Jahr 2006 ausgeplaudert habe, ohne sich dabei offen zur eigenen Rolle bei der Geschichte zu bekennen.

In dem entschieden regierungskritischen liberalen Online-Portal 444 fasst Zsolt Kerner den Inhalt der Dokumente zusammen und weist dabei darauf hin, dass der Sicherheitsdienst in einem Dokument nicht in der Lage gewesen sei, die undichte Stelle auszumachen, während er in einem anderen Rózsa-Flores zitiere und behaupte, es sei das Werk von Gyurcsány und den Sozialisten gewesen, um die öffentliche Aufmerksamkeit von ihrem restriktiven Finanzpaket abzulenken. Der Journalist – ebenso wie der Großteil der linksliberalen Presse – macht sich zudem über die Autoren des Berichts lustig. Während sie Rózsa-Flores mit dem Tarnnamen „Guevara“ bezeichneten, schrieben sie auch, dass ihr „Guevara“ in Bolivien getötet worden sei – was wiederum eindeutig auf Rózsa-Flores schließen ließe. Abschließend wirft der Autor die Frage auf, warum die beiden Berichte weniger als sieben Wochen vor den Wahlen veröffentlicht worden seien, da doch die Untersuchung bereits 2008 und 2009 stattgefunden habe.

In ihrem Leitartikel vom Samstag bezweifelt auch Népszabadság die Vertrauenswürdigkeit einer Geschichte „mit einer lange Kette von Akteuren und Mittelsmännern, deren Namen allesamt geschwärzt wurden“. Falls tatsächlich Gyurcsány seine eigene Rede habe durchsickern lassen, die immerhin zu seinem Sturz und einer „historischen Umformung Ungarns“ geführt habe, dann sei diese Aktion eine ziemliche Dummheit gewesen. Der Sicherheitsdienst habe der Regierung durch die Freigabe der Akten vier Jahre nach Abschluss der Untersuchung „ein nettes Geschenk überreicht“. Die einzige Person jedoch, die wisse, wie viel von alle dem wahr sei, sei Gyurcsány – und dieser müsse endlich mit seiner eigenen Geschichte herausrücken. (In einer Stellungnahme nach Veröffentlichung des Leitartikels behauptet Gyurcsány, die Dokumente seien eine absichtlich verzerrte und bearbeitete Version des Berichts, führte aber nicht weiter aus, was 2006 wirklich geschehen sei – Anm. d. Red.)

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