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Biszku für Kriegsverbrechen verurteilt

15. May. 2014

Linke und liberale Blätter bezweifeln die Weisheit hinter der Gefängnisstrafe für Béla Biszku, zu der der ehemalige hochrangige Kommunist wegen nach dem Volksaufstand von 1956 begangener Kriegsverbrechen verurteilt worden ist. Die Zeitungen greifen die Argumente der Verteidigung auf, wonach der Prozess politisch motiviert gewesen sei.

Der 92 Jahre alte Béla Biszku, einst ein kommunistischer Hardliner, wurde am Dienstag vom Budapester Stadtgericht in erster Instanz zu fünf Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Er war angeklagt, 1956 unmittelbar nach der Niederschlagung des Volksaufstandes durch sowjetische Truppen Kriegsverbrechen gegen Zivilisten begangen zu haben. Seinerzeit hatten kommunistische Milizen das Feuer auf Demonstranten eröffnet und Zivilisten verprügelt. Biszku, der von 1956 bis 1978 einer der kommunistischen Spitzenpolitiker gewesen war, hatte stets geleugnet, direkte Schießbefehle erteilt zu haben.
Der Staatsanwalt zitierte aus den Protokollen des Einstweiligen Exekutivkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (Kommunistische Partei) als Beweis, dass der Angeklagte Gewalt skrupellos „gegen konterrevolutionäre Elemente“ angewandt habe – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß der Genfer Konvention von 1949, die auch Ungarn bis zum Zeitpunkt der damaligen Ereignisse ratifiziert hatte. Die Verteidigung argumentierte, dass kein Beweis für einen direkten Befehl Biszkus vorliege, dem zufolge Zivilisten zu töten seien. Zudem wies er die Vorstellung des Staatsanwalts von einem „ideologisch begründeten Befehl“ als nicht stichhaltig zurück. Der Richter befand Biszku für schuldig, Kriegsverbrechen verübt zu haben. Zudem habe er „in der Zeit des Kommunismus begangene Verbrechen geleugnet”, was laut ungarischem Recht eine strafbare Handlung darstellt. Biszku hatte niemals bestritten, die Revolution von 1956 als „faschistischen Volksaufstand“ zu betrachten und zu meinen, dass Imre Nagy – Ministerpräsident während des Volksaufstandes 1956 und 1958 hingerichtet – „sein Schicksal verdient“ habe. (Vgl. BudaPost vom 19. Oktober).

Sollte Biszku für sämtliche von kommunistischen Milizen 1956 verübten Gewaltakte bestraft werden, oder nur für Taten, die er selbst begangen habe? Diese Frage stellt Népszabadság in ihrem Leitartikel. Der Autor konstatiert, das Gericht habe sich für keine der beiden plausiblen Optionen entschieden – entweder die Verurteilung Biszkus zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder für einen Freispruch. Stattdessen habe es sich für eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten entschieden, die Népszabadság als eine symbolische Geste bewertet.

Der Prozess sei eine politische Effekthascherei gewesen, meint Róbert Friss in Népszava und lehnt das Urteil rundweg ab. Stattdessen fragt er: Sei es prinzipiell richtig, eher jemanden für seine Überzeugungen und die Taten, die sich aus diesen Überzeugungen ergeben hätten, zu verurteilen als für direkten Mord? Der Autor argumentiert sogar unter Verweis auf den Historiker Sebastian Haffner, dass bei den Nürnberger Prozessen gegen die Angeklagten wegen Mordes und nicht wegen schwer zu definierender „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ hätte verhandelt werden sollen. Friss räumt jedoch die Schwierigkeit ein, die Beteiligung von Spitzenpolitikern eines totalitären Systems an Verbrechen zu beweisen, die von jenen verübt wurden, die nur den allgemeinen Richtlinien besagter Spitzenpolitiker gefolgt seien, ohne dabei direkte Befehle erhalten zu haben. Kein Gerichtsurteil könne „uns vor Ideologien und vor Ideologie belasteten Leben schützen“, resümiert der Autor.

In einem nicht gezeichneten Leitartikel auf der Internetseite von Magyar Narancs heißt es, Biszku sei „der letzte Schurke, der seine politische Karriere sowjetischen Panzern verdankt“, und „des Verrats schuldig“. Doch genüge dies nicht, um jemanden ins Gefängnis zu schicken, denn bei einem Schuldspruch gehe es nicht darum, was Historiker wüssten, sondern was die Anklage beweisen könne. Biszkus „wahre Verbrechen“ (wie seine Rolle bei den Vergeltungsmaßnahmen des Jahres 1957 – Anm. d. Red.) werden laut dem Leitartikler unentdeckt bleiben, denn das „vom Fidesz angetriebene“ Gericht habe ihn verurteilen wollen, noch bevor er stirbt.

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