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Orbán gegen Juncker-Kandidatur

28. May. 2014

Konservative Analysten glauben, dass der Ministerpräsident nach zwei aufeinanderfolgenden Wahlen ohne ernstzunehmenden Gegner dasteht und deshalb neue Schlachtfelder auf europäischer Ebene sucht. Folglich habe sich Orbán in einem kühnen Schachzug als erster führender Politiker in der EU der Nominierung von Jean-Claude Juncker als Präsident der Europäischen Kommission widersetzt.

In einem TV-Interview zwei Tage vor der Europawahl hatte Ministerpräsident Viktor Orbán geäußert, er lehne die Idee, den früheren luxemburgischen Ministerpräsidenten Juncker als Nachfolger des scheidenden EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso zu nominieren, entschieden ab. Orbán fügte hinzu, dass andere luxemburgische Politiker Ungarn mehrfach beleidigt hätten. (Die scheidende EU-Justizkommissarin Viviane Reding ist eine lautstarke Kritikerin der ungarischen Regierung. Zudem nannte Außenminister Jean Asselborn Orbán 2010 einen Diktator und verglich ihn mit dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko. Der damalige Ministerpräsident Juncker als Asselborns Chef betonte daraufhin, dies sei nicht der offizielle Standpunkt der Regierung. Allerdings erklärte Asselborn wiederum, dass seine Ansicht vom Ministerpräsidenten geteilt werde.)

In Anbetracht der politischen Landschaft nach den Parlamentswahlen vom April und den Europawahlen des vergangenen Sonntags kann Szabolcs Szerető weit und breit keinen würdigen Herausforderer für Ministerpräsident Orbán erkennen. Angesichts derartiger Rivalen, fährt der Autor in Magyar Nemzet fort, sei es verständlich, dass sich der Ministerpräsident nach Herausforderungen umschaue und Risiken auf europäischer Bühne eingehe. Er könne sich eine derartige Kraftdemonstration erlauben, schließlich sei die Heimatfront solide und sein Sieg der imposanteste innerhalb der Europäischen Volkspartei gewesen.

Auch Ferenc Horkay-Hörcher merkt auf Mos Maiorum an, dass Orbán daheim ohne ernstzunehmenden Gegner dastehe, obwohl Herausforderungen zu den prägendsten Kennzeichen seiner politischen Persönlichkeit zählten. Demokratie brauche im Allgemeinen die Opposition und gerade Orbán sei stets mit einer Serie offener Konflikte gegen aufeinanderfolgende Gegner vorgeprescht. Horkey-Hörcher warnt davor, den Erfolg von euroskeptischen Parteien als Beweis dafür zu werten, dass sich die Öffentlichkeit anti-europäisch und extremistisch entwickle. Mehr und mehr Europäer hätten sich demnach nicht gegen die Europäische Union als solche gewandt, sondern gegen ihre übermäßig zentralisierte Erscheinungsweise. In diesem Sinne wollten die Wähler im Grunde genommen mehr Demokratie und nicht weniger. Ein entsprechendes Verständnis seitens der Union wäre besser gewesen. Indem Orbán offen für diese Haltung einstehe, so Horkey-Hörcher, gehe er ein beträchtliches Risiko ein – aber im Namen einer konsequenten, gleichzeitig aber auch gemäßigten Politik der Vertretung nationaler Interessen, die sich auf lange Sicht bezahlt machen könnte.

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