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Historikerstreit kocht erneut hoch

14. Jul. 2014

Eine der führenden konservativen Historikerinnen kritisiert eine Gruppe von linksliberalen Intellektuellen und wirft ihr vor, durch den Missbrauch der Geschichte des Zweiten Weltkrieges für politische Zwecke teuflische Gräben innerhalb der Gesellschaft aufzureißen. Liberale Historiker regieren mit dem Vorwurf des Geschichtsrevisionismus.

Die Direktorin des Budapester Hauses des Terrors, Mária Schmidt, meldet sich in der Wochenzeitschrift Heti Válasz mit einer scharfen Kritik in Richtung linke und liberale Intellektuelle zu Wort. Nach Ansicht der gelernten Historikerin nutzten sie die Erinnerung an den Holocaust zur Rache für den „Niedergang ihres intellektuellen Terrors“ in der Folge der beiden Wahlniederlagen 2010 und 2014. Sie verurteilt die Kampagne gegen das geplante Mahnmal in Erinnerung an die Okkupation Ungarns durch Nazi-Deutschland (vgl. BudaPost vom 4. Januar) als den Versuch, die Ungarn davon abzuhalten, sich in gemeinsamer Trauer über ihre Kriegstoten zusammenzufinden. Tatsächlich, so argumentiert die Museumsdirektorin, versuchten jene Kritiker die grundsätzliche Verantwortung für den ungarischen Holocaust von den Nazis auf die ungarischen Behörden zu übertragen, deren Schuld sie gar nicht in Abrede stelle, doch die den ungarischen Holocaust niemals zustande gebracht hätten, wäre Nazi-Deutschland nicht in Ungarn einmarschiert. Durch die lautstarke Ablehnung des allen Opfern gewidmeten Denkmals sowie das Bemühen um internationale Unterstützung für ihren Protest hätten sich jene linksliberalen Intellektuellen „selbst aus der nationalen Gemeinschaft ausgegrenzt“, ist Schmidt überzeugt.

Mária M. Kovács interpretiert in Népszabadság den Artikel ihrer Historiker-Kollegin als „eine Provokation und Kriegserklärung“. Sie bezichtigt Schmidt zudem, „eine Grenze überschritten“ zu haben, sowie „den Versuch zu unternehmen, diejenigen Intellektuellen aus der nationalen Gemeinschaft auszuschließen“, deren Ansichten sich von denen Schmidts unterschieden. Mehr noch: Kovács zitiert einen Satz von Mária Schmidt über jüngste „imperiale“ Erwartungen, wonach der Holocaust lediglich in einer einzigen, vorherbestimmten Art und Weise einzuordnen sei, als Beleg dafür, dass die Direktor-Historikerin eine weitere Grenze überschritten habe, indem sie den Holocaust als ein „vom Imperium bestimmtes Thema“ bezeichnet habe.

In einem umfangreichen Artikel für die Druckausgabe von Heti Válasz bestreitet Krisztián Ungváry den Vorwurf Schmidts, behauptet zu haben, bei den Hauptverantwortlichen für den ungarischen Holocaust handele es sich nicht um die Nazis. Es sei sinnlos, Schuld in eine Rangordnung zu bringen. Allerdings könne ungeachtet der offensichtlichen Verantwortung Nazi-Deutschlands die Rolle der ungarischen Behörden, die sie innerhalb dieser Tragödie gespielt hätten, nicht als zweitrangig bezeichnet werden. Laut Ungváry „existiert kein Beweis dafür, dass Hitler jemals die vollständige physische Vernichtung des ungarischen Judentums angeordnet hat”.

In einem Interview mit Népszabadság bekräftigt Maria Schmidt ihre Meinung, dass der systematische Massenmord am ungarischen Judentum ohne Nazi-Okkupation nicht möglich gewesen wäre. Sie bezeichnet die Stellungnahme Ungvárys (ohne ihn ausdrücklich beim Namen zu nennen) als einen beispiellosen Versuch, Hitler entschuldigen zu wollen. Schmidt verurteilt politisch motivierte Bestrebungen, das Land entlang geschichtlicher Linien zu teilen. Die Einwohner Ungarns hätten alle ihre jeweiligen geschichtlichen Verwundungen zu tragen, wobei die ausschließliche Fokussierung auf unsere eigene Klagen nirgendwohin führe, erklärt die Historikerin und äußert den Wunsch, in einem Land zu leben, in dem die Generationen der Gegenwart nicht aufgrund der Taten ihrer Vorfahren in Opfer und Täter unterteilt würden. Abschließend heißt es, die Menschen im 21. Jahrhundert „sollten den Zweiten Weltkrieg beenden“.

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