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Ministerpräsident Orbán verkündet Ende des Liberalismus

29. Jul. 2014

In Analysen der Rede des Regierungschefs, die er am Samstag im Rahmen der vom Fidesz unterstützen traditionellen „Freien Sommeruniversität“ in Siebenbürgen gehalten hatte, sind sich die Kommentatoren uneins: Habe sich Orbán für ein autoritäres Staatsmodell ausgesprochen oder wolle er lediglich die Rolle der Regierung bei der Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit stärken?

In einer Ansprache vor den Teilnehmern der alljährlichen Freien Jugenduniversität im siebenbürgischen Kurort Băile Tușnad (Bad Tuschnad/Tusnádfürdő) erklärte Ministerpräsident Orbán das Zeitalter liberaler Demokratien für beendet. Ungarn errichte einen „auf Arbeit basierenden Staat“, wo nationale Interessen im Vordergrund stünden. Er kündigte an, dass sich ein parlamentarischer Ausschuss mit den Aktivitäten von NGOs befassen werde, bei denen es sich in Wahrheit um von ausländischen Einrichtungen in deren eigenem Interesse finanzierte politische Aktivisten handele.Weiter erklärte Orbán auf der vom Fidesz im benachbarten Rumänien ausgerichteten Sommerakademie, eine Demokratie müsse nicht notwendigerweise liberal sein. Er nannte in diesem Zusammenhang Russland, die Türkei, Indien und China, von denen einige nicht demokratisch seien, jedoch hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit besser abschnitten als der Westen. Orbán unterstrich, Ungarn bleibe fest in der EU und der NATO verankert.

In ihrem Leitartikel auf der Titelseite wirft Népszabadság dem Regierungschef vor, er ergreife Partei für undemokratische Regimes des Ostens, statt sich an die Seite westlicher Demokratien zu stellen. Mittlerweile hätten Hunderttausende Ungarn Jobs im Westen gefunden und die neuen öffentlichen Investitionsprojekte des Landes würden weitgehend mit Hilfe von EU-Geldern finanziert. Somit erwarte der Ministerpräsident, dass die Europäische Union die Probleme Ungarns löse, verwehre ihr jedoch das Recht, die Nutzung ihrer Gelder zu überwachen. „Offensichtlich hat Orbán die Linie überschritten“, die den Westen vom Osten trenne, notiert das linksorientierte Blatt.

In seinem Leitartikel für Magyar Nemzet schreibt Csaba Lukács, „einstige Privatisierer“ empfänden die Vorstellung einer „neuen Welt“ als abstoßend, in der die Regierung dem Volk diene. „Berufsmäßige Schwarzmaler“ prangerten lauthals „das Ende der Demokratie“ an, bezeichneten Orbán als den „ungarischen Putin“ und drängten „jeden zur Flucht“, bevor es zu spät sei. „Ich verstehe nicht, warum jemand das Wort ‘Arbeit’ fürchten sollte“, wundert sich der Kommentator. Über das für den Staat erträgliche Maß ansteigende Sozialausgaben würden Ungarn nur immer weiter in den Abgrund reißen. Derweil kritisiert Lukács den Pressesprecher Orbáns massiv, der so weit gegangen sei, den Korrespondenten von Magyar Nemzet „physisch zu beleidigen“, anstatt ihm, was seine Aufgabe gewesen wäre, seine Unterstützung anzubieten. „Ziemlich unterwürfige, aber gegenüber der Außenwelt dümmlich aggressiv auftretende Personen umgeben den Ministerpräsidenten in furchterregend zunehmender Anzahl”, beschwert sich der Autor des Leitartikels.

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