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Kommunalwahlen: Kümmerliche Chancen der Linken

15. Sep. 2014

Die Analysten sind sich ziemlich einig: Die Kommunalwahlen im Oktober werden dem Fidesz einen weiteren Sieg bescheren. Gute Aussichten für die Linken bestehen lediglich in einigen wenigen Kommunen. Ein Wiederaufbau des linken Lagers erscheint nur längerfristig möglich.

In der Druckausgabe von Magyar Narancs äußert sich Csaba Tóth, der Chef der liberalen Denkfabrik Republikon. Seiner Ansicht nach könnte das Linksbündnis fünf, vielleicht sogar sieben der dreiundzwanzig Budapester Stadtbezirke für sich entscheiden und den jeweiligen Bezirksbürgermeister stellen. Allerdings dürfte ihr Oberbürgermeisterkandidat Ferenc Falus recht sicher von Amtsinhaber István Tarlós bezwungen werden. Die sieben Herausforderer würden tatsächlich in den meisten Fällen um die potenziellen Wählerstimmen von Falus buhlen. Der Fidesz dürfte höchstwahrscheinlich in allen 19 Komitatsparlamenten die Mehrheit erringen, wobei in sämtlichen von ihnen Jobbik zur zweitstärksten Kraft avancieren dürfte. Von den Großstädten ist Szeged die einzige mit einem amtierenden sozialistischen Bürgermeister. Hier, stellt der Autor fest, sei der Linkskandidat auch der Favorit. Nach den Wahlen werde laut Tóth die Rivalität innerhalb der Linken weitergehen, allerdings ohne Früchte zu tragen. Auf deren Seite sei die Persönlichkeit von Ferenc Gyurcsány der entscheidende Haken: Mit ihm an Bord habe die Linke keine Chance, sich irgendwann einmal zur tragfähigen Alternative zum Fidesz zu entwickeln. Ohne ihn und seine wachsende Anhängerschar dürfte es der Linken jedoch immer schwerer fallen, eine Mehrheit der Wähler für sich zu gewinnen, glaubt der Autor.

In Magyar Hírlap äußert der Philosoph Ervin Nagy die Ansicht, dass wir Zeuge des Todeskampfes der Sozialistischen Partei sind und noch vor Ende der aktuellen Legislaturperiode „ihren Nachruf schreiben können“. Nagy war Mitbegründer von Jobbik, hatte die rechtsradikale Partei aber verlassen, nachdem sie rassistisches Gedankengut zu artikulieren begann und in Opposition zum Fidesz getreten war. Nagy bezeichnet die Agonie keineswegs als eine Überraschung. Ganz im Gegenteil, wäre es doch nur allzu natürlich gewesen, wenn die postkommunistische Partei nach dem Wechsel von der Diktatur zur Demokratie abgestorben wäre. Allerdings warnt der Autor die Rechte davor, auf dem Schauplatz der Rivalität im linken Lager in Jubel auszubrechen, denn dies sei lediglich der Auftakt zu einer stärkeren und viel funktionstüchtigeren Opposition zur gegenwärtigen Regierung.
Das Problem, das die Linke lösen müsse, laute: Welche Gruppierung werde die Sozialistische Partei als Hauptherausforderer des Fidesz ersetzen? Die wichtigste Frage dabei: Werde es einem der Wettbewerber gelingen, mit überzeugenden und charismatischen Persönlichkeiten aufzuwarten? Die Sozialistische Partei sei eine Brutstätte für Leute ohne Talent und mit nur schwach ausgeprägter Moral gewesen. Sie hätten dem Fidesz in keinerlei Hinsicht das Wasser reichen können. Folglich werde ihr Verschwinden nicht nur für regierungsfreundliche Gruppierungen, sondern auch für Linke selbst eine positive Entwicklung darstellen, ist Nagy überzeugt.

Die Linke müsse sich von Grund auf neu organisieren, schreibt György Földes in 168 Óra. Der Historiker war Mitte der 1990er Jahre Vorsitzender des MSZP-Landespräsidiums. In seinem Debattenbeitrag zur Diskussion um die Krise der Linken in dem linksliberalen Wochenmagazin führt Földes das Scheitern der Sozialistischen Partei auf unerfüllte Verheißungen des Regimewechsels zurück, namentlich die Zusage, dass die Bereicherung der Eliten begleitet werde von einem höheren Lebensstandard der gesamten Gesellschaft. Die Rechte habe es geschickt verstanden, die gescheiterte Modernisierung für sich auszuschlachten. Sie habe einen Großteil der Menschen ohne Zukunftsperspektive um sich geschart – Menschen, die schließlich auf ein bestimmtes Maß an Sicherheit, das lediglich vom Staat zu garantieren sei, gehofft hätten.
Im Gegensatz dazu seien die Sozialisten zu optimistisch gewesen, dass die europäische Integration die Probleme der Mehrheit schon lösen werde. Deswegen hätten sie keine mehr soziale Gerechtigkeit sowie eine größere Teilhabe versprechende Strategie erarbeitet. Nunmehr sei es für sie zu spät, sie gelten als unglaubwürdig und der Aufgabe nicht gewachsen. Als ein Ergebnis der Finanzkrise stoße die Linke auch im Westen auf ein ähnliches Problem: Die Sehnsucht nach Schutz und Sicherheit könnte Erwartungen hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit ins Abseits stellen. Unter solchen Bedingungen sei ein Neubeginn nötig. Földes warnt die Linke davor, auf einen kurzfristigen Sieg über den Fidesz zu hoffen. Vielmehr sollten sie sich systematisch von Grund auf erneuern, empfiehlt der Autor abschließend.

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