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Orbán-Rede in Kötcse

9. Sep. 2014

Kommentatoren aus dem linken Spektrum werfen dem Ministerpräsidenten vor, er wolle eine Rückkehr der Linken an die Regierung mittels Herumdoktern am Wahlrecht praktisch unmöglich machen. Ein rechtsorientierter Journalist wiederum fordert von Intellektuellen des eigenen Lagers ein besseres Agieren, damit die Niederlage der Linken unumkehrbar werde.

In dem südlich des Balaton gelegenen Örtchen Kötcse äußerte sich Ministerpräsident Viktor Orbán am Samstag zu seiner politischen Strategie. Auf einem alljährlich stattfindenden Treffen rechter Intellektueller erklärte er, die vor fünf Jahren ausgerufene Strategie eines „zentralen Machtbereichs“ habe sich als erfolgreich erwiesen. Der Fidesz müsse der Linken bei den bevorstehenden Kommunalwahlen eine abschließende Niederlage beibringen, „ohne Chance auf deren künftiges Comeback“. Laut Orbán sehe seine Strategie vor, dass „Ideologien ausrangiert“ sowie „Verlierer und Gewinner, linke und rechte Wählergruppen zu einem allumfassenden pragmatischen Bündnis vereinigt werden“. Außen vor blieben einzig die in Ideologien gefangenen Rechtsextremen und die Liberalen. Mit Blick auf Russland sagte Orbán, dass er ein Falke sei, wenn es um die Verteidigung gehe, aber eine Taube hinsichtlich der Wirtschaftsbeziehungen.

In ihrem Leitartikel auf der Titelseite bezweifelt Népszabadság, dass Orbán in seinen Gefühlen zu Russland tatsächlich ein Falke sei – und zwar in keinerlei Hinsicht. Die linke Tageszeitung erläutert: Was dem Ministerpräsidenten wirklich „in der Nase sticht, sind nicht die von Moskau her wehenden Winde, sondern das ist der aus Richtung Westen blasende übelriechende Wind“. Auf den Mahnruf Orbáns eingehend, die Linke im Oktober derartig massiv zu schlagen, dass ihr keine Chance auf ein künftiges Comeback bleibe, schreibt Népszabadság, ein solcher Satz von einem solchen Menschen bedeute, dass er die Hoffnung habe, er sei „bei der Demontage der Bedingungen für einen freien Wettbewerb bei Wahlen“ erfolgreich gewesen – und falls nicht, werde er „das Wahlsystem noch weiter perfektionieren“.

In Népszava argumentiert deren Chefredakteur Péter Németh weitgehend ähnlich. Er schreibt: „In einem illiberalen Staat wird echter Wettbewerb nicht benötigt.“ Demzufolge nutzten führende Politiker „ihr Wissen als Juristen, um die Paragrafen umzuschreiben und damit ihren Herausforderern jede Chance auf einen Wahlsieg zu nehmen“.

István Stefka, der sich in der vergangenen Woche von seinem Amt als Chefredakteur der Tageszeitung Magyar Hírlap verabschiedet hatte, gehörte zu den geladenen Gästen in Kötcse und bietet eine andere Interpretation der Rede des Ministerpräsidenten. (Gewöhnlich ist die Presse zu den Treffen in Kötcse nicht geladen.) Stefka berichtet, dass Orbán das Zusammenschmelzen der linken Wählerschaft auf eine falsche Politik linksliberaler Regierungen zurückführe. Sie hätten stets und ständig soziale Gruppen in den Widerstreit getrieben und deren Wählerstimmen durch eine Erhöhung der öffentlichen Schulden gekauft. Orbán dagegen sei es gelungen, soziale Gruppen über alle ideologischen und Klassengrenzen hinweg zu einen.
Diese neue Mehrheit um das Zentrum herum sei es, so schreibt Stefka, die nunmehr „für eine lange Zeit“ lebendig erhalten werden müsse. Dabei hätten rechte Intellektuelle durch „einen mit Hilfe unserer Worte errungenen Sieg über sie“ [die Liberalen] eine wichtige Rolle zu spielen. Das mache auf Seiten der Konservativen ein besseres Agieren erforderlich, glaubt der Autor. „Wir müssen eine andere Sprache, mit einem anderen Geist und mit einer anderen Kultiviertheit sprechen“, schlussfolgert Stefka.

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