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Orbáns Re-Industrialisierungsversprechen

6. Nov. 2014

Nach Ansicht eines linksorientierten Kommentators sollte die Regierung anstatt die Industrieproduktion zu steigern lieber den Dienstleistungssektor fördern. Ein konservativer Ökonom dagegen macht darauf aufmerksam, dass die Re-Industrialisierung sowohl in der EU als auch in den USA gerade in Mode sei.

Ministerpräsident Viktor Orbán hat immer wieder geäußert, dass sich seinem Wunsch gemäß Ungarn bis zum Jahre 2018 zum am stärksten industrialisierten Land Europas entwickelt. Vergangene Woche benannte Orbán 2018 auch als das Jahr, in dem Vollbeschäftigung in Ungarn herrschen sollte.

In Népszabadság empfiehlt Endre Aczél, dass sich die Regierung anstelle einer massiven Re-Industrialisierung auf den Dienstleistungssektor konzentrieren sollte, um wieder Anschluss an Westeuropa zu finden. Der linksorientierte Kolumnist verweist darauf, dass rund um den Globus Länder mit höheren Industrieproduktionsquoten ärmer und weniger entwickelt seien als Volkswirtschaften, in denen der Dienstleistungssektor eine größere Rolle spiele. Unter anderem sei dieser Anteil in den USA und Deutschland proportional geringer ausgeprägt als in Ungarn. Unter den EU-Staaten sei Rumänien dasjenige Land, dessen Industriesektor über den größten Anteil an der Bruttowirtschaftsleistung verfüge. Um das Land zu modernisieren und die Wirtschaftsleistung anzukurbeln, fährt Aczél fort, sollte die Regierung den Dienstleistungsbereich fördern, anstatt die Sektoren Einzelhandel, Energie, Banken und Telekommunikation mit zusätzlichen Steuern zu belegen.
Mit Blick auf die Aussichten einer Re-Industrialisierung vermerkt der Autor, dass entsprechende Pläne erhebliche ausländische Investitionen erforderlich machten. Demzufolge würde sich die Präsenz ausländischer Unternehmen in Ungarn verstärken. In einer persönlichen Notiz äußert Aczél die Vermutung, dass „der Hang Orbáns zur Re-Industrialisierung vom Steinbruch herrührt“. (Orbáns Vater besitzt mehrere Steinbrüche – Anm. d. Red.)

„Nur die Ruhe! Wir werden nicht erneut ‘das Land aus Eisen und Stahl’ werden“, beruhigt Csaba Szajlai die Leser von Magyar Hírlap. Der konservative Volkswirt verweist darauf, dass Re-Industrialisierung in der gesamten entwickelten Welt gerade in Mode sei – sowohl die USA als auch die EU betrachteten eine Erhöhung der Wirtschaftsleistung als eines ihrer wichtigsten Ziele. Angesichts der Tatsache, dass Ungarn über ein großes Reservoire an unqualifizierten Arbeitskräften verfüge, würde der Bau neuer Fabriken zur Senkung der Arbeitslosenquote beitragen, konstatiert der Autor.
In der Tschechischen Republik liege die Arbeitslosenquote aufgrund einer größeren Anzahl im Industriesektor zur Verfügung stehender Jobs unter derjenigen Ungarns. Szajlai hält es für irrig, die aktuellen Bemühungen um eine Re-Industrialisierung mit dem kommunistischen Industrialisierungsprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen. In der modernen globalisierten Welt sollte die Re-Industrialisierung der Unterstützung global wettbewerbsfähiger Unternehmen dienen. Dazu sei es nötig, dass der Staat Innovationen fördere, konstatiert Szajlai und begrüßt in diesem Zusammenhang die Anstrengungen der Orbán-Regierung zur Erhöhung von Fördermitteln für den Bereich Forschung und Entwicklung auf die Marke von 1,8 Prozent des BIP.

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