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Ungarische Außenpolitik im Blickpunkt

3. Nov. 2014

Ein liberaler Kolumnist zeigt sich überzeugt, dass die USA Ungarn unter Druck setzen, um die eigenen geopolitischen Interessen zu schützen. Liberal-konservative sowie in der politischen Mitte angesiedelte Kommentatoren warnen dagegen vor den Konsequenzen einer diplomatischen Isolation und fordern eine Versöhnung mit den USA und der Europäischen Union. Eine liberale Wochenzeitung wiederum spekuliert, dass sich Ministerpräsident Orbán bereits auf dem Weg des EU- und Nato-Austritts befinde.

Auf Index schreibt Gábor Miklósi, dass Washington durch das US-Einreiseverbot für ungarische Offizielle Druck auf die als zunehmend moskaufreundlich betrachtete Orbán-Regierung ausüben wolle. Der liberale Kolumnist geht davon aus, dass der amerikanische Außenminister über die gesetzliche Möglichkeit verfüge, der ungarischen Regierung die Namen der unter Korruptionsverdacht stehenden Personen mitzuteilen (vgl. BudaPost vom 20. Oktober). Durch die Verweigerung dieser Information wollten die USA den Eindruck erwecken, das Land sei korrupt. Falls die Verdächtigen namentlich genannt würden, könnten die Behörden durch die Verfolgung und Bestrafung korrupter Personen ihr Gesicht wahren. Damit würde klargestellt, dass Korruption in diesem Lande nicht toleriert werde.

Die USA machten sich Sorgen über Ungarn, da sich die Zusammenarbeit der Regierung Orbán mit Russland, dem Iran und China für Washington mittlerweile zum sicherheitspolitischen Problem entwickelt habe, heißt es in einem Leitartikel auf der Titelseite von Magyar Narancs. In diesem Sinne seien die USA eher über die geopolitische Neuausrichtung Ungarns besorgt, als über Korruption sowie die Schwächung demokratischer Institutionen. Das liberale Wochenmagazin spekuliert, dass, sollte die Regierung ihren außenpolitischen Kurs nicht ändern, Ministerpräsident Orbán zur Zielscheibe der USA werden würde. Washington werde das engste Umfeld des Regierungschefs der Korruption beschuldigen, während der russische Präsident Putin ebenfalls versuchen könnte, ihn „zu erpressen“. Allerdings ist Magyar Narancs skeptisch, ob eine Kehrtwende in der ungarischen Außenpolitik erwartet werden könne. Das liberale Blatt äußert im Gegenteil den Verdacht, dass Ministerpräsident Orbán bereits den Prozess zum Ausstieg sowohl aus der EU als auch aus der Nato eingeleitet habe.

Ákos Balogh von Mandiner warnt vor einer kämpferischen und arroganten Rhetorik in Fragen der Außenpolitik. Der in der politischen Mitte beheimatete Blogger unterstreicht, dass die Verwicklung in einen diplomatischen Konflikt mit den USA und den europäischen Staaten den nationalen Interessen keinesfalls diene. Ungarn sei unter anderem auf Verbündete angewiesen, um den in den Nachbarländern lebenden ethnischen Ungarn helfen zu können. Balogh drängt die ungarische Regierung zu der Einsicht, dass sie in einer zunehmend angespannten geopolitischen Situation in der Ukraine ihre wirtschaftspolitische Annäherung an Russland so nicht weiter werde fortsetzen können. Insofern erscheint dem Autor ein Rückzieher der Regierung notwendig. Sie sollte also einige ihrer symbolbehafteten Projekte mit Moskau aufgeben und sich entweder aus dem Pipeline-Vorhaben South Stream zurückziehen oder die geplante Erweiterung des AKW Paks streichen.

Im gleichen Blog kritisiert „Dobray“, die ungarische Regierung sei bei dem, was sie „Öffnung Richtung Osten“ nenne, zu weit gegangen. Falls Ungarn nicht zu symbolischen Gesten seinen Verbündeten gegenüber bereit sei, – selbst wenn sich das finanziell nicht auszahlen würde –, würden die USA und die EU Vergeltung üben, ist der liberal-konservative Blogger überzeugt. Angesichts der Tatsache, dass ein neuer Kalter Krieg im Entstehen sei, sollte Ungarn seine Politik der Öffnung Richtung Osten überdenken, falls das Land ein Teil der westlichen Zivilisation bleiben wolle, empfiehlt „Dobray“.

Es sei kontraproduktiv, dass die Regierung sämtliche Kritik mit der Behauptung von sich weise, sie sei von der Verteidigung wirtschaftlicher Interessen seitens ausländischer Mächte motiviert, schreibt Péter Farkas Zárug in Magyar Demokrata. Der konservative Analyst begrüßt die Bemühungen der Regierung zum Schutz ungarischer Wirtschaftsinteressen selbst auf Kosten eines Konflikts mit den USA und den EU-Mitgliedsstaaten. Allerdings sollte die Regierung keine unnötigen diplomatischen Spannungen mit ihren Verbündeten erzeugen, indem sie behaupte, dass jegliche Kritik an der Regierung von ausländischen Mächten inszeniert werde, die das Land zu kolonisieren versuchten, notiert Zárug.

Abschließend zu dem Thema ein Beitrag von András Stumpf aus Heti Válasz. Für den gemäßigten Kommentator ist die jüngste Kritik seitens der USA, der EU, Deutschlands sowie der Visegrád-Staaten ein Hinweis auf die zunehmende internationale Isolation Ungarns. (In einem gesonderten Artikel macht das Wochenblatt darauf aufmerksam, dass die Europäische Kommission in den kommenden Tagen mehrere neue Verfahren gegen Ungarn einleiten und möglicherweise sogar die Auszahlung von Strukturfonds aussetzen werde, um Ministerpräsident Orbán aus dem Amt zu entfernen – Anm. d. Red.) Der gemäßigte Kommentator rät der Regierung, dass sie vor dem Hintergrund der jüngsten geopolitischen Entwicklungen ihre russlandfreundliche Außenpolitik überdenken sollte, um dadurch ihre Beziehungen zu strategischen Verbündeten, einschließlich der USA, zu festigen. Egal, ob die Vorwürfe aus den USA und der EU gerechtfertigt seien oder nicht: Ungarn werde viel verlieren, falls das Land die aktuellen diplomatischen Konflikte nicht löse, befürchtet Stumpf abschließend.

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