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Warten auf Merkel

26. Jan. 2015

Politische Beobachter glauben, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem für Anfang Februar geplanten Kurzbesuch in Budapest eher auf die Beziehungen zu Russland als auf innenpolitische Probleme Ungarns konzentrieren werde. Diese Vermutung geht an die Adresse oppositioneller Gruppierungen, die zur Begrüßung des deutschen Gastes Demonstrationen angekündigt haben.

Im Fernsehsender ATV hat der Politologe Tamás Boros die anstehenden Visiten von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin als wichtige Ereignisse bezeichnet, da nur wenige wichtige ausländische Persönlichkeiten Ungarn in den vergangenen Jahren einen Besuch abgestattet hätten. Gegenwärtig finde auf beiden Seiten ein „gegenseitiges Überbieten von Träumereien“ statt: Die Opposition erwarte, dass Merkel Ministerpräsident Orbán mit Verachtung begegne, während die Regierung mit Blick auf die Politik Orbáns der „Öffnung gen Osten“ von einer offensichtlichen Zustimmung ausgehe. Boros vermutet, dass die tatsächlich erörterten Gesprächsthemen selbst nach dem am 2. Februar stattfindenden Treffen nicht öffentlich gemacht werden.

Auf HVG online macht sich Gáspár Miklós Tamás über Pläne lustig, wonach die Opposition Demonstrationen zur Begrüßung der deutschen Regierungschefin organisieren wird. Er bezieht sich dabei vor allem der Ruf: „Tantchen, bitte befreie uns von Orbán!“. In ähnlicher Art und Weise unterhielten oppositionelle Kreise einen „bizarren Kult um einen freundlichen Beamten“ (eine offensichtliche Anspielung auf den US-amerikanischen Chargé d’Affaires André Goodfriend – Anm. d. Red.). Dies interpretiert der Philosoph als Beleg für das unwiderstehliche Verlangen, sich auf eine ausländische Macht zu verlassen, wenn einmal Probleme mit der eigenen Regierung existierten. Derartige Hoffnungen im Zusammenhang mit Merkel seien völlig fehl am Platze, glaubt der Marxist, da „Tantchen Merkel“ lediglich den Krieg in der Ukraine im Kopf habe. Als naiver Beobachter, so räumt Tamás freimütig ein, habe er mehrere Protestveranstaltungen vom vergangenen Herbst als Anzeichen eines gewissen Nonkonformismus und letztendlich der Fantasie aufgefasst, „tatsächlich jedoch haben wir hier nichts – außer Tantchen Merkel – und auch nur für zwei Tage“. (Tatsächlich geplant ist lediglich ein eintägiger Besuch Merkels in Budapest – Anm. d. Red.)

Es wäre vergeblich zu hoffen, dass die ungarische Regierung zwischen Russland und der Europäischen Union vermitteln könnte, schreibt Gábor Miklós in Népszabadság. Bundeskanzlerin Merkel habe Moskau durch das Angebot einer Zollunion im Gegenzug für Frieden in der Ukraine ihre eigene Offerte unterbreitet. Deutschland und Europa seien auf Frieden und Zusammenarbeit mit Russland angewiesen, könnten aber den Aufbau eines Imperiums mittels Annexion nicht hinnehmen. Infolgedessen sollte sich Ungarn nach Ansicht von Miklós unzweideutig solidarisch gegenüber dem Rest der Union zeigen. Möglicherweise könne es Orbán zwei Wochen nach dem Besuch Merkels nicht ablehnen, auch Putin zu empfangen, glaubt der Autor. Er könnte ja auch „kleine Geschenke“ von ihm erhalten, wie etwa das Versprechen billigerer Gaslieferungen. Doch werde Orbán keinerlei Rolle bei der Lösung der massiven diplomatischen Probleme Russlands zugewiesen bekommen, resümiert Miklós.

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