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Orbán zur Quaestor-Insolvenz

30. Mar. 2015

Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich zu den jüngsten Brokerhauspleiten geäußert, was ein linksorientierter Kolumnist mit einer Rücktrittsforderung für das gesamte Kabinett verbindet. Ein konservativer Analyst hält es für möglich, dass sich gegen das Establishment gerichtete Stimmungen verschärfen.

In seinem vierzehntäglichen Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Kossuth Rádió ging Ministerpräsident Orbán unter anderem auch auf die jüngsten Brokerhauspleiten ein. Dabei äußerte er sich empört über die Betrügereien, warnte aber gleichzeitig vor einer Anti-Makler-Hysterie. Orbán befürwortete angesichts der Ereignisse die Existenz einer solchen Staatskasse, bei der Ministerien und Kommunalverwaltungen ihre Vermögen sicher deponieren können. Der Regierungschef räumte ein, dass er von Quaestor-Eigentümer Csaba Tarsoly einen Brief erhalten habe – und zwar noch vor dessen Insolvenzantrag. Allerdings betonte Orbán, dass er zu dem Zeitpunkt seine Kabinettskollegen bereits angewiesen hatte, die bei Brokerhäusern deponierten Staatspapiere ihrer jeweiligen Ministerien abzuziehen.

Népszava-Chefredakteur Péter Németh bezichtigt die Regierung eines sorglosen und unverantwortlichen Verhaltens, da sie öffentliche Vermögenswerte bei Maklerfirmen und nicht bei der Ungarischen Staatskasse deponiert habe. Der linksorientierte Journalist schreibt: Nach einem derartigen Skandal „würden in jedem demokratischen Staat der Ministerpräsident und höchst wahrscheinlich auch die Regierung selbst zurücktreten müssen“. Németh jedoch vermutet, dass die Orbán-Regierung die gegenwärtige Krise dadurch überstehen dürfte, dass sie sämtliche im Zusammenhang mit den Brokerhäusern stehenden Missstände den linksliberalen Vorgängerregierungen in die Schuhe schieben werde.

„In Zeiten politischer Skandale versuchen sämtliche Parteien mit stimmigen und überzeugenderen Geschichten aufzuwarten“, argwöhnt László Flick in Magyar Hírlap. Der konservative Politologe verweist darauf, dass die Brokerhaus-Insolvenzen und die ihnen zugrundeliegenden Betrügereien gegen die Eliten gerichtete Ressentiments stärken könnten. In solchen Situationen versuchten alle Beteiligten, ihre jeweiligen Gegner verantwortlich zu machen. Im aktuellen Fall genieße die Opposition einen strategischen Vorteil und die Regierung sei in die Defensive gedrängt. Die Interviewäußerungen Orbáns vom Freitag könnten dazu beitragen, den oppositionellen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Zusammenfassend äußert Flick die Vermutung, dass die Opposition letzten Endes keine zu großen Vorteile aus dem Skandal werde ziehen können, selbst falls es ihr gelänge, weiter Feuer ins Öl zu gießen, denn unzufriedene Wähler könnten sich gegen die Eliten im Allgemeinen, anstatt nur gegen die Regierung Orbán wenden.

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