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Orbán zum Thema Todesstrafe

30. Apr. 2015

Ministerpräsident Viktor Orbán hat sich dieser Tage dafür ausgesprochen, das Thema Todesstrafe am Köcheln zu halten. Vor diesem Hintergrund werfen ihm liberale Kommentatoren eine Übernahme der von der rechtsextremen Partei Jobbik verwendeten Rhetorik vor. Ein regierungsfreundlicher Jurist wiederum vertritt die Ansicht, dass das Kabinett die Mehrheitsmeinung nicht ignorieren könne, der zufolge die Todesstrafe erneut eingeführt werden sollte.

Auf den brutalen Mord an einer jungen Verkäuferin in einem Tabakgeschäft eingehend erklärte Ministerpräsident Orbán, sein Kabinett habe die lebenslängliche Haftstrafe eingeführt bzw. ein Gesetz für den Kampf gegen Gewaltkriminalität erlassen. Diese Maßnahmen hätten sich als nicht ausreichend erwiesen, um Kriminelle abzuschrecken. Aus diesem Grunde „sollte die Frage der Todesstrafe auf der Agenda bleiben“, um die Ungarn zu schützen, so der Regierungschef wörtlich. Es war nicht das erste Mal, dass Ministerpräsident Orbán zu erkennen gegeben hat, er könne sich die Wiedereinführung der Todesstrafe vorstellen. Seit 2002 hat er verschiedentlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Todesstrafe um eine effektive Maßnahme zur Abschreckung von Gewaltverbrechern handele. Allerdings räumte er auch ein, dass deren Einführung den in der EU herrschenden Normen widersprechen würde.

In Heti Világgazdaság schreibt Tamás Gomperz: Die Idee, die Todesstrafe in Erwägung zu ziehen, sei Ekel erregend. Der liberale Kommentator hält die Äußerung des Ministerpräsidenten für einen Verstoß gegen europäische, christliche und humanitäre Grundprinzipien. Laut Gomperz werde die Anregung Orbáns zu einer Stärkung von Jobbik führen, da die radikale Partei bereits seit langer Zeit die Wiedereinführung der Todesstrafe fordere.

„Ministerpräsident Orbán ist nicht der Teufel, er folgt lediglich einem rationalen Kalkül“, meint László Szily auf Cink. Der Regierungschef wolle dem Vormarsch von Jobbik Einhalt gebieten und konservative Wähler von der aufstrebenden rechtsradikalen Partei zurückgewinnen, glaubt der liberale Autor. Angesichts eines fehlenden linken Herausforderers konzentriere sich Orbán eher auf die extreme Rechte, als sich Richtung Mitte zu bewegen. Falls diese Strategie aufgehen und es Orbán gelingen sollte, die Fidesz-Führung zu festigen und Jobbik 2018 zu schlagen, werde sich niemand mehr die Mühe machen, ihn für diese Äußerung zu kritisieren, notiert der Verfasser. „Die Strategie von Ministerpräsident Orbán ist widerlich, aber absolut legitim“, konstatiert Szily und fügt hinzu, es sei enttäuschend, dass die Regierungspartei offenbar über keinerlei andere Mittel und Wege verfüge, um Jobbik aufzuhalten, als die Rhetorik dieser rechtsextremistischen Partei zu übernehmen.

„Die Mehrheit der Ungarn ist ebenfalls der Meinung, dass die Todesstrafe wieder eingeführt werden sollte“, zitiert Kata Losonci in Napi Gazdaság Zoltán Lomnici jun., den Sprecher der regierungsfreundlichen Bewegung CÖF. Der konservative Verfassungsjurist glaubt, dass eine demokratisch gewählte und den Willen des Volkes repräsentierende Regierung die Mehrheitsmeinung nicht ignorieren könne, wonach die Todesstrafe eine wirksame Maßnahme der Kriminalitätsbekämpfung sei. Wenn die Frage der Todesstrafe auf der Tagesordnung gehalten werde, so sei dies nicht nur eine Option, sondern bis zu einem gewissen Grad auch die Pflicht der Regierung, argumentiert Lomnici und weist nicht zuletzt darauf hin, dass die Todesstrafe zur Rechtsordnung verschiedener US-Bundesstaaten gehöre.

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