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Der Zaun und kein Ende

22. Jun. 2015

Traditionelle Presse und das Internet quellen förmlich über von unterschiedlichen Ansichten über den Plan der Regierung, entlang der Grenze zu Serbien im Süden des Landes einen massiven Zaun zu errichten, der den wachsenden Zustrom von Migranten aus Richtung Balkan nach Ungarn und weiter gen Westeuropa aufhalten soll. Das Meinungsspektrum reicht von ungeteilter Zustimmung zu dem Projekt bis hin zu dessen Titulierung als zynische Propagandamaßnahme.

Der geplante Zaun werde Ungarn von den in Nordserbien lebenden ethnischen Ungarn trennen. Das widerspreche – so Miklós Hargitai in Népszabadság – den einmütig erreichten Errungenschaften, Ungarn über Grenzen hinweg zu einen. Die Geschichte habe bewiesen, dass es einfacher sei, ethnische Ungarn zu separieren, als die sie trennenden Grenzen abzubauen, warnt Hargitai.

Auf Kettős Mérce meint András Jámbor, die Migranten werden ganz gewiss das zu errichtende physische Hindernis umgehen. Damit wären die angeblich für dessen Bau benötigten 20 Millionen Forint samt den Kosten für dessen Instandhaltung und Überwachung für die Katz.

Auf 444 argumentiert Márton Bede, dass Migranten in der Lage sein werden, über die an der Grenze zu bauende Mauer zu klettern. Zudem könnten sie unter ihr Tunnel graben und andere einfallsreiche Lösungen finden, um auf die andere Seite zu gelangen – genau so, wie sich die Ungarn vor der Wende ihre eigenen verwegenen Tricks ausgedacht hätten, um den Eisernen Vorhang zu überwinden.

Dem pflichtet László Szily bei: Die Migranten würden von der Mauer nicht aufgehalten. Aus diesem Grunde gibt sich der Autor auf Cink überzeugt, dass sie nicht mehr sei als „ein 175 Kilometer langes Wahlplakat“. Szily geht sogar so weit, Ministerpräsident Orbán mit dem einstigen kommunistischen Herrscher Mátyás Rákosi zu vergleichen. Ja schlimmer noch, schließlich werde Orbán nicht von einer ausländischen Besatzungsmacht zum Bau eines Eisernen Vorhangs gezwungen, polemisiert Szily.

Es könne schlechterdings nicht geleugnet werden, dass etwas getan werden müsse, meint István Dévényi auf Válasz. Er räumt ein, dass ein Sicherheitszaun nicht die beste Lösung sein möge, zeigt sich jedoch geneigt, die Idee zu unterstützen. Nicht zustimmen könne er jedoch der sogenannten und noch stattfindenden nationalen Konsultation zur Frage der Migration, wobei die Entscheidung offenbar bereits gefallen sei. Ebenso lehnt Dévényi die Plakatkampagne zur Immigration ab, die er für eine „Geschmacklosigkeit“ hält.

Auf derselben Meinungsseite lehnt András Zsuppán einen vom LMP-Vorsitzenden András Schiffer angestellten Vergleich zwischen dem Grenzzaun und der von Israel errichteten Mauer im Westjordanland ab. Laut Zsuppán sollte er eher mit anderen Hindernissen für Migranten verglichen werden – etwa mit den Grenzzäunen, die von Spanien entlang der marokkanischen Grenze gebaut wurden, mit den von Bulgarien an den Grenzen zur Türkei und zu Griechenland errichteten oder mit der langen Barriere zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko. All diese Zäune seien von demokratischen Regierungen in dem erzwungenen Versuch errichtet worden, eine Massenmigration zu stoppen.

Auf Mandiner argumentiert Bence Pintér mit statistischen Angaben. Demnach seien in den vergangenen 30 Tagen täglich zwischen 275 und 613 Personen beim illegalen Grenzübertritt nach Ungarn gestoppt worden. Alles in allem hätten seit Beginn des Jahres mehr als 50.000 Migranten Ungarn erreicht. Mit ebenso vielen hätten es auch Griechenland oder Italien zu tun bekommen. Pintér könnte den entlang der Grenze zu Serbien geplanten Zaun akzeptieren – aber nur, falls Ungarn freiwillig einer gewissen Anzahl Flüchtlinge Zuflucht gewähre, wobei die UNO die Flüchtlinge als solche auch anerkennen müsse.

Die lockere und liberale Einwanderungspolitik sowie das daraus resultierende und von Europa in den letzten Jahrzehnten verfolgte multikulturelle Modell seien gescheitert, schreibt Szabolcs Szerető in Magyar Nemzet. Die immer weiter anschwellende Einwanderungswelle drohe, Europas kulturelles Profil neu bestimmen und Parallelgesellschaften entstehen zu lassen, was in unkontrollierbaren Konflikten münden könnte. Dagegen sollte Europa etwas unternehmen. Solange dies nicht geschehe, würden einzelne Länder weiterhin eigenmächtig handeln und ihre eigenen Interessen zu schützen versuchen, argumentiert Szerető.

In Kommentár verurteilt der Umweltsoziologe András Lányi Liberale, die jegliche Maßnahmen zur Migrationsbeschränkung ablehnten und glaubten, dass Menschen das Recht hätten, sich niederzulassen, wo immer sie wollten – ungeachtet dessen, was die in den jeweiligen Gebieten lebenden politischen Gemeinschaften davon hielten. Er hält diesen Ansatz für unangebracht in einer Ära, in der wir Zeuge der größten Migrationswelle in der Geschichte der Menschheit seien, die die charakteristische Zivilisation des europäischen Subkontinents ohne Weiteres vom Antlitz der Erde tilgen könnte. Das Prinzip der individuellen Selbstbestimmung und der Glaube an die universale Natur der Menschenrechte – beides von liberalen Befürwortern der Migration vertreten – würden ebenso verschwinden, warnt Lányi.

Praktisch die selben Worte benutzt Zsolt Bayer in Magyar Hírlap, um das Verschwinden von europäischer Zivilisation und Kultur vorherzusagen. Was wir in Italien auf öffentlichen Plätzen beobachteten, sei „der Anfang vom Ende“. Falls Europa seine Selbstverteidigung ablehne, werde es sein eigenes Grab schaufeln. Bayer erinnert seine Leser zudem an eine kürzlich ausgesprochene Drohung des Islamischen Staats, innerhalb weniger Tage eine halbe Millionen Migranten Richtung Europa zu schleudern, falls sich Italien für eine bewaffnete Intervention in Libyen entscheiden sollte.

Die gegenwärtige Migrationswelle werde in der einen oder anderen Form die Geschichte formen, lautet die Vermutung des Politologen Zoltán Kiszelly auf Mozgástér. Vorherige hätten das Römische Reich zerstört und es den USA erlaubt, sich zu einer Weltmacht zu entwickeln. Doch was das Ergebnis der jetzigen sein werde, wüssten wir nicht. Europa sollte jedoch einsehen, dass es nicht alle Probleme der Welt in ihrer Gesamtheit aufsaugen und lösen könne. Deshalb müsse es aufhören, weitere Millionen zu locken, so dass sie sich auf den gefährlichen Weg nach Norden begeben. Der Autor glaubt, Brüssel wolle das Problem mit Hilfe von Konzepten lösen, die in europäischen Ländern bereits gefährliche Situationen heraufbeschworen hätten. Kiszelly empfiehlt Ungarn, sich nicht von seinem Weg abbringen zu lassen und dafür vom Negativbeispiel der Einwanderungspolitik westeuropäischer Länder zu lernen.

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