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Solidarität in der Migrationsfrage angemahnt

26. Jun. 2015

Ungarn befindet sich inmitten einer internationalen Kontroverse zum Thema Migration. Kommentatoren sowohl des linken als auch des rechten Spektrums nehmen dies zum Anlass, um auf das Fehlen einer gemeinsamen und partnerschaftlichen EU-Einwanderungspolitik hinzuweisen.

In einem Fernsehinterview vom Dienstag forderte Außenminister Péter Szijjártó europäische Hilfe und Solidarität. Ihm zufolge haben in der ersten Jahreshälfte 2015 mehr Migranten ohne Ausweispapiere Ungarn erreicht als Italien. Szijjártó erklärte, dass Ungarn die Annahme von zurückkehrenden Asylbewerbern aufgrund der technischen Beschränkungen des ungarischen Flüchtlingsaufnahmesystems ausgesetzt habe (vgl. BudaPost vom 25. Juni). Ungarn habe jedoch seine vertraglichen Verpflichtungen nicht aufgekündigt, unterstrich der Außenminister und fügte hinzu, dass nach Ansicht seiner Regierung Flüchtlinge gemäß Dublin-III-Vereinbarung nicht nach Ungarn, sondern vielmehr nach Griechenland abgeschoben werden sollten, da sie dort zuerst europäischen Boden betreten hätten. Darüber hinaus betonte Szijjártó, dass Ungarn – falls notwendig – weitere Grenzzäune bauen werde, um den Zustrom von Migranten ohne Ausweispapiere einzudämmen.

Ungarn verfüge nicht über die entsprechenden Kapazitäten, um Asylsuchende aufzunehmen, die Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten ins Land zurückschicken wollen, kommentiert Imre Czirják in Napi Gazdaság. Der regierungsfreundliche Kolumnist kalkuliert Kosten von mehr als 64 Millionen Forint pro Tag, um für die 15.000 Flüchtlinge zu sorgen, die Deutschland ankündigungsgemäß nach Ungarn zurücksenden möchte. Und sollten EU-Mitgliedsstaaten 120.000 Migranten zurückschicken, würden jährlich Ausgaben in Höhe von bis zu 200 Milliarden Forint anfallen. Angesichts dieser Kosten sowie Ungarns Mangel an Unterkunftsmöglichkeiten hält es Czirják für eine vernünftige Reaktion der Regierung, den Transfer auszusetzen.

Die EU sei nicht in der Lage, das Einwanderungsproblem zu lösen, konstatiert Szabolcs Szerető in Magyar Nemzet. Angesichts einer nicht existierenden EU-weiten Migrationspolitik handelt es sich für den konservativen Kommentator beim Vorgehen der Mitgliedsstaaten um ein Null-Summen-Spiel: Ohne gemeinsame Regeln seien Staaten an den Grenzen der EU daran interessiert, Mauern zu errichten oder Migranten Richtung Westeuropa durchzulassen, während die Kern-EU-Länder dieselben Flüchtlinge zurück in die Grenzstaaten senden wollten, notiert der Autor.

György Vári empfindet es als merkwürdig, dass sich dieselbe Regierung, die das Konzept europäischer Solidarität zurückgewiesen und sich für nationale Souveränität ausgesprochen habe, als die EU-Einwanderungsquoten vorgeschlagen wurden, nunmehr hilfesuchend an die EU wende. In einem Beitrag für Népszabadság bezeichnet der linksliberale Analyst die Haltung der EU als nicht weniger umstritten. Während die EU-Mitgliedsstaaten angesichts der Ankündigung Ungarns, an seiner Südgrenze einen Zaun errichten zu wollen, weitgehend geschwiegen hätten, sei die Regierung Orbán für die Aussetzung des Dublin-Abkommens sofort kritisiert worden. Dies ist für Vári ein klarer Hinweis darauf, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten im Hinblick auf Migranten nur im Falle zu übernehmender Kosten besorgt zeigten. Über die Auswirkungen der Einwanderung auf die Peripherieländer dagegen würden sie sich kaum die Köpfe zerbrechen.

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