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Gedanken zur Identität und Zukunft Europas

28. Dec. 2015

Die Vision eines freien und geeinten Europas lasse sich einzig und allein mit Hilfe einer weiterführenden Integration aufrechterhalten. Diese Ansicht vertreten linksorientierte Kommentatoren, während Kollegen des rechten Spektrums davor warnen, Europa gegen diejenigen ins Feld zu führen, die mit „liberalen Dogmen“ nicht einverstanden sind.

Einzig durch die Rückbesinnung auf die europäischen Kernwerte sowie mittels einer verstärkten Solidarität unter den Mitgliedsstaaten könne die EU ihre mannigfaltige Krise überwinden, schreibt Paul Lendvai in Élet és Irodalom. Die wichtigste Lehre, die der aus Ungarn gebürtige österreichische Publizist aus den jüngsten wirtschafts- und migrationspolitischen Krisen zieht, bestehe darin, dass die EU weiter integriert und damit stark genug werden müsse, um für die Bewältigung großer Herausforderungen gerüstet zu sein. Die EU habe ihre Vision eines durch ungehinderten Waren- und Personenverkehr gekennzeichneten freien Europas eingebüßt, beklagt Lendvai. „Fortschrittsperspektiven sowie europäische Freiheit und europäischer Lebensstil sind Ängsten gewichen“, schreibt der Publizist weiter und äußert die Befürchtung, dass rechtsradikale Parteien von Erfolg zu Erfolg marschieren würden, sollten die Europäer die Angst vor Terrorismus und wirtschaftlicher Talfahrt nicht aus ihrem täglichen Leben verbannen. „Nationalismus und Ausgrenzung haben in der Vergangenheit bereits eine europäische Katastrophe heraufbeschworen“, ruft Lendvai mahnend in Erinnerung.

Europa befinde sich in schlechter Verfassung, konstatiert Tamás Róna in Népszava. Der linksorientierte Kolumnist bezeichnet es als betrüblich, dass Politiker in der EU die Union immer kritischer beäugen und sie für sämtliche nationalen Miseren verantwortlich machen würden. „Falls EU-Mitgliedsstaaten die Idee von der Zusammengehörigkeit ablehnen sollten, werde die Europäische Union zusehends unpraktikabel“, beschwert sich Rónay.

In Heti Válasz führt Gábor Borokai das, was er als „europäische Verwirrtheit“ bezeichnet, auf die Preisgabe der zivilisatorischen Kernwerte Europas zurück. Der konservative Kommentator wirft dem „liberalen Fundamentalismus“ und „der Modernität“ vor, Europa eine Werteneutralität aufzuzwingen. Ohne die Bewahrung nationaler und religiöser Überlieferungen seien die Europäer wurzellos und desorientiert geworden, stellt Borókai fest. Um seine Stärke wiederzuerlangen, sollte Europa die Nihilismus erzeugende „kosmopolitische Weltsicht“ abstreifen. Europa müsse zu seiner ursprünglichen Ideologie zurückkehren, die geprägt sei von nationalen, christlichen sowie familiären Werten, empfiehlt Borókai.

„’Der Westen’ und ‘Europa’ sind zu ideologisch befrachteten Konzepten mutiert, die Linksliberale gerne als Trumpfkarten ausspielen“, schreibt András Lánczi in Magyar Idők. Der Direktor der regierungsfreundlichen Denkfabrik Századvég wirft den Liberalen und Linken vor, das Konzept eines Europas mit dem Ziel zu enteignen, all diejenigen als rückwärtsgewandte, irrationale und unzivilisierte Tölpel zu brandmarken, die nicht mit deren rationaler Vision einer Gesellschaft und deren Werten einer liberalen Demokratie übereinstimmten. Dieser ideologische Aufbau Europas diene als „säkulare Ersatzreligion“ für säkulare Liberale, die sämtliche überlieferten Werte, Glaubensinhalte und Autoritäten ablehnten, aber auch nicht ohne einen moralischen Kompass leben könnten, der ihnen eine Zukunftshoffnung beschere, notiert der konservative Philosoph.

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