Ex-Minister warnt vor drohendem Chaos im Gesundheitswesen
23. Jan. 2016Eine regierungsfreundliche Tageszeitung veröffentlicht einen Artikel aus der Feder des zwischen 2004 und 2006 amtierenden Gesundheitsministers. In ihm äußert er sich alarmiert über den kritischen Zustand seines ehemaligen Verantwortungsbereichs.
In Magyar Idők äußert sich Jenő Rácz, Geschäftsführer des Komitatskrankenhauses Veszprém und Gesundheitsminister während der ersten Amtszeit des sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány. Demnach befinde sich das ungarische Gesundheitssystem in einer akuten Notlage und stoße an seine Grenzen. Rácz ruft die Entscheidungsträger zu dringend notwendigen Maßnahmen auf, andernfalls werde das System explodieren. Der Ex-Minister verweist auf Statistiken, denen zufolge Ungarn aktuell im Vergleich zur Zeit vor dem EU-Beitritt noch weiter hinter die Kernländer der Europäischen Union zurückgefallen sei. Während 1992 die ungarischen Pro-Kopf-Ausgaben für das Gesundheitswesen bei 49,9 Prozent derjenigen der EU15 – also der Mitgliedsstaaten vor der EU-Osterweiterungswelle 2004 – gelegen hätten, sei dieses Verhältnis bis 2013 auf 36,7 geschrumpft.
Rácz erinnert die Politiker an ein Referendum des Jahres 2008, das eine ernste Krise innerhalb der damals amtierenden Regierungskoalition ausgelöst und letztendlich die vollständige Zerstörung der Liberalen Partei Ungarns zur Folge gehabt habe. (Das Referendum hatte der damals oppositionelle Fidesz mit dem Ziel initiiert, die von der Regierung geplante Gesundheitsreform zur Senkung der Kosten des Systems zu blockieren. Diese Reform war vor allem vom damaligen Koalitionspartner SZDSZ verfochten worden. Der SZDSZ gehörte sowohl der ersten als auch der zweiten von Ferenc Gyurcsány [MSZP] geführten Koalitionsregierung an – Anm. d. Red.)
Der Autor macht darauf aufmerksam, dass es seinerzeit die Wählerinnen und Wähler gewesen seien, die agiert hätten. Nunmehr würden dies die Beschäftigten des Gesundheitswesens tun. Einige von ihnen würden ihrer Notlage durch das Verlassen des Landes Ausdruck verleihen. Andere wiederum machten ihrer unhaltbaren Lage mittels scheinbar spontaner Ausbrüche ihrer Unzufriedenheit Luft (vgl. BudaPost vom 24. Dezember 2015). Rácz erwähnt als Beispiel Mária Sándor. (Die Pflegeassistentin steht an der Spitze einer immer stärker werdenden Protestbewegung unzufriedener Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die in einem offenen Brief an Ministerpräsident Viktor Orbán nunmehr eine Blockade von Brücken angedroht hat – Anm. d. Red.) All dies seien Vorboten eines noch viel massiveren Chaos, warnt Jenő Rácz, falls nicht radikale, aber gleichzeitig auch fachgerechte (und nicht politische) Schritte Richtung Deeskalation der Krise gegangen würden.