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Statuenzwist – der Zweite: György Donáth

29. Feb. 2016

Angesichts des gescheiterten Versuchs, die Gedenkbüste für einen rechtsgerichteten Politiker der Vorkriegszeit zu enthüllen, beschuldigen linke Kommentatoren die Regierung, sie betreibe einen Rassisten-Kult. Ein Kollege aus dem publizistischen Regierungslager dagegen bestreitet die These, dass György Donáth ein Antisemit gewesen sei, während ein unabhängiger konservativer Publizist die im Clinch liegenden Seiten zu mehr gegenseitiger Toleranz ermahnt.

György Donáth war 1947 der Hauptangeklagte im ersten stalinistischen Schauprozess. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet. Ihm war von der Anklagebehörde vorgeworfen worden, eine „faschistische Machtübernahme“ vorbereitet zu haben. Zu seinen Mitangeklagten zählten gemäßigte und anti-nationalsozialistische Konservative, die einer in den 1920er Jahren gegründeten Geheimgesellschaft mit dem Ziel angehörten, „sich für nationale Interessen einzusetzen“, wobei entschieden ethnisch-nationalistische sowie gegen Juden und Deutsche gerichtete Untertöne keine Seltenheit waren. Donáth war ein führender Politiker der während des Zweiten Weltkrieges regierenden Partei und lehnte die Invasion Nazideutschlands im Jahre 1944 ab. Im Nachkriegsungarn unterstützte seine Geheimorganisation („Gemeinschaft der Ungarn“) die Unabhängige Partei der Kleinlandwirte, der Landarbeiter und des Bürgertums (FKgP), die die meisten antikommunistischen Kräfte bündelte und mit 57 Prozent der Stimmen die ersten Wahlen nach Ende des Krieges gewann.
Ursprünglich hatte die Donáth-Büste am Mittwoch, dem Tag der Erinnerung an die Opfer des Kommunismus, enthüllt werden sollen. Allerdings kam es zum Eklat, als die Zeremonie durch eine Gruppe von Demonstranten unterbrochen wurde. Daraufhin wurde die Büste am Donnerstag von ihrem Standort wieder entfernt. Aus Anlass der Enthüllung war ursprünglich eine Rede von Fidesz-Vizeparteichef Gergely Gulyás geplant. Da er jedoch angesichts der Proteste auf deren Verlesung verzichtete, postete er sie auf seiner Facebookseite. Darin heißt es, die Vergangenheit Donáths sei nicht makellos gewesen, doch viele gefeierte Nazigegner hätten ebenfalls dezidiert antisemitische Ansichten vertreten. Der Unterschied liege darin, dass – anstatt von den Nazis ermordet zu werden – Donáth durch die kommunistische Nachkriegsjustiz getötet worden sei.
Die Affäre war bereits die zweite ähnlich gelagerte innerhalb von wenigen Monaten. Erst Ende letzten Jahres war der Plan gescheitert, eine Statue für Bálint Hóman, einen bekannten Historiker und Politiker der Vorkriegszeit, zu errichten (vgl. BudaPost im Dezember 2015 und Januar 2016).

Jenő Veres findet in Népszava lobende Worte für die „Antifaschisten, die die Teilnehmer an der Zeremonie verjagt haben“. Veres fragt, ob die Rechte in Ungarn lediglich über solche Ikonen verfüge, denen der Gestank des Rassismus anhafte. Donáth habe Glück gehabt, von den Kommunisten „nicht dafür hingerichtet worden zu sein, wofür er eigentlich hätte hingerichtet werden sollen“. Der Autor vergleicht den Fall mit der Anekdote von einem Nazi, dessen Erben vom deutschen Staat eine Entschädigung für den „Auschwitz-Tod“ ihres Vaters verlangten, bei dem es sich aber um einen vom Wachturm gestürzten Säufer gehandelt habe.

Das Scheitern der beiden Initiativen sei ein ermutigendes Zeichen dafür, dass „nach wie vor eine demokratische Öffentlichkeit existiert, die das Regime von einer Verankerung des Andenkens an seine Idole abhält“, heißt es im Leitartikel auf der Titelseite von Népszabadság. Die linke Tageszeitung räumt ein, dass sowohl Hóman als auch Donáth unschuldig gewesen seien und deren Urteile auf fabrizierten Anklagen basiert hätten. Allerdings behaupten die Leitartikler, dass es sich bei Donáth um einen ungarischen Faschisten gehandelt habe und er deswegen nicht zum Idol tauge. Népszabadság wirft „dem Regime“ vor, es erwähle sich seine Helden aus dem Personalbestand der Zwischenkriegszeit, weil es eine Vorliebe für „Autoritarismus, großen bäuerlichen Grundbesitz sowie ein parlamentarisches System mit einer dauerhaft regierenden Partei“ hege.

In Magyar Hírlap verweist Sándor Faggyas darauf, dass Donáth sowohl den „Nationalsozialismus als auch den Faschismus” abgelehnt habe. Gleichzeitig bestätigt er, dass man „nicht alles, was Donáth gesagt und getan hat, akzeptieren kann”. Doch sei er ein unschuldiges Opfer des kommunistischen Terrors der Jahre nach 1945 gewesen.

Ebenfalls in Magyar Hírlap kommt der nicht unumstrittene Publizist Zsolt Bayer zu Wort. Seiner Ansicht nach sollte die Geschichte nicht ausschließlich aus der Perspektive des im Laufe des 20. Jahrhunderts an den Juden verübten Unrechts betrachtet werden. Bayer nennt die Namen einiger der angesehensten Schriftsteller und Dichter Ungarns, die einige Zeit lang antisemitische Ansichten verfochten hätten, aber nach wie vor für ihren Beitrag zum Fortschritt Ungarns allgemein anerkannt würden. Im Schlussabsatz seines Kommentars wird Bayer einmal mehr seinem Ruf als Provokateur gerecht, wenn er schreibt: Leute würden häufig nur deswegen als Antisemiten gebrandmarkt, weil sie „etwas Schlechtes oder die Wahrheit über das Judentum gesagt haben“. Zwar hätten die meisten ungarischen Juden 1919 das kurzlebige bolschewistischer Regime abgelehnt, doch da sie unter dessen führenden Politikern überrepräsentiert gewesen seien, könne er, Bayer, verstehen, dass „die Mehrheit der Bevölkerung Wut und Verbitterung gegenüber den Juden Ungarns verspürt“.

György Pápay konstatiert, dass verschiedene Interpretationen ein und desselben Geschehens durchaus legitim seien. Menschen mit unterschiedlichen Ansichten sollten demnach einander mit Toleranz begegnen, empfiehlt Pápay in Magyar Nemzet. Er verstehe die Feindseligkeit und Empfindlichkeit hinter dem Agieren auf beiden Seiten und ermahnt die Machthabenden, sie sollten vor der Errichtung von Statuen „einfühlsamer auf jene Empfindlichkeiten“ reagieren. Dadurch ließen sich schmerzhafte Konflikte sowie die Peinlichkeit ihres späteren Entfernens vermeiden.

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