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Antisemitismusvorwurf zurückgewiesen

21. Jul. 2016

Eine in Budapest erscheinende jüdische Zeitschrift bezeichnet es als Besorgnis erregend, dass sich der Spitzenvertreter des weltweiten Judentums über den wahren Charakter des zeitgenössischen Antisemitismus nicht im Klaren zu sein scheint. Konkret weist das Blatt die Behauptung Ronald Lauders zurück, wonach Ungarn das am stärksten antisemitisch geprägte Land Europas sei.

Vor einigen Tagen erschien im britischen Magazin The Observer ein umfangreiches Interview mit dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald Lauder. In ihm „lobt Lauder Putin, rügt Obama und vermisst Reagan“ – wie es in der Überschrift heißt. In einem kurzen Abschnitt des Interviews vertritt der Spitzenvertreter des weltweiten Judentums die Ansicht, dass Europa erneut ein gefährlicher Ort für Juden sei. „Der schlimmste Übeltäter ist Ungarn, denn dort existiert gegenwärtig eine Neonazipartei genannt Jobbik“, so Lauder wörtlich. Weiter heißt es: „Sie haben mit der Errichtung von Denkmälern Admiral Horthys begonnen, der ein Nazi war. Sie haben den Wortlaut ihrer Verfassung geändert und dabei das Wort Holocaust gestrichen.“ Diese Äußerungen wurden umgehend vom Präsidenten des Nationalrats der jüdischen Gemeinden in Ungarn zurückgewiesen. In einem an den Jüdischen Weltkongress gerichteten Brief schreibt MAZSIHISZ-Chef András Heisler: „Realitätsferne Stellungnahmen über die missliche Lage des ungarischen Judentums sind entweder auf Manipulationen durch Journalisten oder auf falsche Informationen durch Berater zurückzuführen.“ Heisler unterstreicht in seinem Schreiben, dass die Juden Ungarns in Sicherheit leben. Darüber hinaus fordert er den Weltkongress auf, er möge für Informationen über den Antisemitismus in Ungarn seine Organisation konsultieren.

In Szombat stellt János Gadó fest, dass alle drei von Lauder angeführten Argumente fehlgeleitet seien: Bei Jobbik handele es sich nicht um eine Nazi-Partei. Zudem habe sie in dem Bemühen, als Partei der Mitte wahrgenommen zu werden, ihre rassistischen Merkmale aufgegeben. Horthy sei kein Nazi gewesen und die Errichtung von Statuen zu seinem Gedenken stehe nicht auf der Tagesordnung. Der Holocaust sei in der ungarischen Verfassung niemals ausdrücklich erwähnt worden. Das größte Problem allerdings sieht Gadó darin, dass Lauder mit keinem Wort auf den islamistischen Antisemitismus eingehe, der die einzige höchst reale Bedrohung für Juden in Europa darstelle.

Erst kürzlich habe Lauder Ministerpräsident Orbán dafür gedankt, dass er die Errichtung einer Statue für einen Minister der Zwischenkriegszeit abgelehnt habe, schreibt János Csontos in Magyar Idők. (Der betreffende Minister Bálint Hóman war 1938 an der Ausarbeitung judenfeindlicher Gesetze beteiligt, vgl. BudaPost vom Dezember 2015 bis Januar 2016 – Anm. d. Red.) Gleichzeitig habe Lauder die Entschlossenheit der ungarischen Regierung begrüßt, Initiativen für die Aufstellung einer Statue des Zwischenkriegsregenten Miklós Horthy nicht zu unterstützen.

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