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Fidesz verhindert außerordentliche Plenarsitzung

24. Aug. 2016

Die führende Regierungspartei blockiert die oppositionelle Forderung nach einer Sondersitzung des Parlaments zum Thema Briefwahlrecht für zeitweilig im Ausland lebende Ungarn. Vor diesem Hintergrund diskutieren die Kommentatoren die Frage, ob die gegenwärtig gültigen Bestimmungen einen diskriminierenden Charakter haben.

Jobbik hatte mit Unterstützung linker Oppositionsparteien die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung des ungarischen Parlaments verlangt, bei der über eine Erweiterung des Briefwahlrechtes auf befristet im Ausland lebende Personen debattiert werden sollte. Da die Abgeordneten des Fidesz der Sitzung ferngeblieben waren, konnte auch deren Tagesordnung nicht verabschiedet werden. Im Ergebnis wurde die Tagung vorzeitig beendet. Laut der gegenwärtig gültigen Rechtslage dürfen sich lediglich solche ungarischen Staatsbürger an der Briefwahl beteiligen, die über keinen ständigen Wohnsitz im Lande verfügen. Zeitweilig im Ausland lebende Ungarn müssen sich zur Stimmabgabe in die diplomatischen Vertretungen bemühen. Sämtliche Oppositionsparteien betrachten diese Unterscheidung als diskriminierend. Allerdings haben sowohl der Europäische Menschenrechtsgerichtshof 2015 als auch das ungarische Verfassungsgericht bestätigt, dass es keine Diskriminierung sei, zwischen sich zeitweilig im Ausland aufhaltenden Bürgern und solchen ohne ständigen Wohnsitz in ihrem Heimatland zu unterscheiden.

In Magyar Idők bestreitet Anna Kulcsár die Behauptung, wonach die Unterscheidung zwischen Wählern mit und ohne ständigen Wohnsitz in Ungarn diskriminierend sei. Sich befristet im Ausland aufhaltende Ungarn könnten in Botschaften wählen gehen oder nach Hause reisen und ihre Stimme in Ungarn abgeben. Sie könnten sogar ihre ständige ungarische Wohnadresse annullieren lassen und während ihrer Abwesenheit postalisch wählen, betont die regierungsfreundliche Autorin. Die Opposition werfe der Regierung eine Diskriminierung vor, um sich bei abwesenden Wählern beliebter zu machen, behauptet Kulcsár.

Szabolcs Szerető hält den Streit über das Stimmrecht von abwesenden Wählern für einigermaßen absurd. In Magyar Nemzet bezichtigt der konservative Kommentator die Regierung der Verletzung grundlegender demokratischer Normen, als sie die außerordentliche Parlamentssitzung boykottierte. Szerető interpretiert den Vorgang nämlich dahingehend, dass die Regierung sich zeitweilig im Ausland aufhaltende Personen von den Wahlurnen fernhalten wolle. Das oppositionelle Vorhaben, das Briefwahlrecht auf diesen Personenkreis auszuweiten, bezeichnet der Autor allerdings als kontraproduktiv. Wenn zeitweilig abwesende Wähler ihre Stimme per Post abgeben könnten und die Wahlbeteiligung damit stiege, wäre es wahrscheinlicher, dass das am 2. Oktober stattfindende Referendum über die EU-Migrantenquoten die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung von 50 Prozent plus einer Stimme erreichen würde.