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Patriotischer Wortschatz am Nationalfeiertag

22. Aug. 2016

Am Feiertag zur Erinnerung an die Gründung des ungarischen Königreichs im Jahre 1000 benennt ein in der politischen Mitte angesiedelter Publizist diejenigen Begriffe, die der Beschreibung der Ungarn und ihres Landes dienen. Dies könnte Besuchern und ausländischen Beobachtern dabei helfen, den öffentlichen Diskurs in Ungarn über Fragen von nationaler Bedeutung nachzuvollziehen.

Nach Ansicht von Albert Gazda wird vieles leichter, wenn wir die Unterschiede zwischen den Begriffen „Staat“, „Land“, „Nation“ und „Heimat“ verstehen. In Magyar Nemzet präsentiert Gazda eine negative Definition des Begriffes „Staat“, also dem Gebilde, dessen Geburt am 20. August gefeiert wird. Der Staat sei weder „ich“ noch „uns“. Es sei „sie“. In den Monaten der Wende 1990 hätten die Ungarn darauf hoffen können, dass der Staat aufhören würde, ihnen fremd zu sein. Das habe sich, so der Autor, als eine Illusion erwiesen, obwohl „man mit keinen Worten den riesigen Unterschied zwischen dem ehemaligen kommunistischen Regime und dem gegenwärtigen erklären kann“.
„Land“ rufe in der ungarischen Sprache keine emotionale Assoziation hervor, obgleich die Menschen seine Flüsse und Berge sehr wohl mögen könnten. Aber eigentlich drücke der Begriff einfach geographische Gegebenheiten und BIP-Zahlen aus und zeige, dass es klein sei. „Wann immer es sich groß träumt, spricht es schwerlich die Wahrheit“, konstatiert Gazda.
„Nation“ bedeutet für den Autor des Essays mehr als „Land“. Tatsächlich habe das Wort im Ungarischen – wie ein Stück weit im Deutschen – einen ethnischen Beiklang. Seit dem Zweiten Weltkrieg seien die Deutschen bei der Verwendung dieses Begriffs verständlicherweise zurückhaltend, um den Anschein expansionistischer Bestrebungen zu vermeiden. In Ungarn dagegen sei es weitgehend akzeptiert, die ethnischen Ungarn jenseits der Landesgrenzen als Teil der Nation zu verstehen. (Während die Minderheiten der Rumänen, Slowaken und Deutschen ebenfalls als deren Bestandteil angesehen werden – Anm. d. Red.) Liberale jedoch hätten sich gegen den Zugang von jenseits der Grenzen lebenden Magyaren zur ungarischen Staatsbürgerschaft und damit zum Wahlrecht in Ungarn ausgesprochen. Gazda interpretiert deren Minderheitenmeinung als eine überraschende Ablehnung, sie als festen Bestandteil der Nation zu betrachten.
„Heimat“ sei der am stärksten emotional aufgeladene Begriff der vier. In ihm drückt sich für Gazda eine innige Beziehung aus, die Menschen nicht nur gegenüber ihrem Land, sondern auch dessen Kultur sowie Vergangenheit und Zukunft empfinden. Im Folgenden zählt der Autor rund ein Dutzend Dinge auf, die bei Ungarn – je nach nach subjektivem Empfinden – ein Gefühl für die Heimat aufkommen lassen: ein Glas kühler Wein der Sorte „Olaszrizling“, die olympische Goldmedaille des Fechters Áron Szilágy, die Lichter der Kettenbrücke, der Staub auf dem Sziget-Festival. Gazda fügt dann auch noch seine Gefühle über Heuhaufen in der Máramaros (heute Maramureş in Rumänien) und die Synagoge von Szabadka (Subotica, Serbien) hinzu. Da immer mehr neue Dinge dazugehören würden und nichts, das abgetrennt oder zerstört worden sei, aus den Gefühlen der Menschen verbannt werde, bedeute Heimat immer mehr, Tag für Tag. Und ihre Bedeutung höre niemals auf, sich zu verändern, resümiert Gazda.

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