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Terrorismus in Europa – ein Kampf der Kulturen?

1. Aug. 2016

Konservative Zeitungen interpretieren die jüngsten Terroranschläge als Vorboten eines Kampfes der Kulturen in Europa. Kommentatoren des linken Spektrums wiederum befürchten, dass die Rhetorik von einem Krieg der Zivilisationen seitens autoritärer Regimes dazu benutzt werde, ihre Methoden zu rechtfertigen.

„Der IS und der radikale Islam führen einen Krieg gegen die europäische Zivilisation“, schreibt Balázs Böcskei in Magyar Nemzet. Der linksgerichtete Analyst wirft liberalen Eliten vor, die Verbindung zwischen dem dschihadistischen Terrorismus und der Einwanderung zu leugnen. Böcskei kritisiert die ungarische Linke heftig dafür, dass sie dem heiklen Thema des Zusammenhangs von Islam und Gewalt im Zeichen politisch korrekter multikultureller Ideologien aus dem Weg gehe. Damit würden sie sich viele eigentlich dem linken Lager zuneigende Wähler zum Feind machen und dazu bringen, dass sie sich rechten Parteien zuwendeten, die keine Skrupel hätten, auf der Welle gegen Migranten gerichteter Gefühle zu reiten oder diese sogar noch zu befeuern, fürchtet Böcskei.
In der gleichen Tageszeitung fügt Tamás Pilhál hinzu, dass die europäischen Bürger in steter Angst vor dschihadistischem Terrorismus leben würden, solange Europa nicht mit der Ideologie der multikulturellen Gleichheit breche, laut der alle Menschen gleich seien und daher auch das Recht hätten, sich in Europa niederzulassen.

Selbst eine Handvoll Spinner könne einen ethnischen oder religiösen Krieg vom Zaun brechen, warnt Bálint Ablonczy in Heti Válasz. Auch wenn es im gegenwärtigen Europa nur wenige Menschen gebe, die zur Anwendung von Gewalt bereit wären, könnte trotzdem ein Bürgerkrieg ausbrechen. Wenn selbsternannte Schutztruppen beschließen würden, Rache an Muslimen zu nehmen, könnte es leicht zur Eskalation eigendynamischer Gewalt in Europa kommen, so Ablonczys düsterer Ausblick.

Je länger Europa der unkontrollierten Massenmigration nicht Einhalt gebiete, umso wahrscheinlicher werde der Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts, sagt Gábor Dezső Kürti auf Mandiner voraus. Laut Kürti ist die gegenwärtige Migrationswelle Hinweis auf eine ausgedehnte, massive Veränderung der globalen Demografie. Da Europa nicht in der Lage sei, allen Menschen aus den unterentwickelten Ländern Schutz und Aussicht auf ein besseres Leben zu gewähren, würde ein Offenhalten der Tore nur noch größere Probleme verursachen. Vielleicht möge man den Gedanken nicht, doch existierten ausschließlich rabiate Maßnahmen, um die Massenmigration zu stoppen. Und das Errichten von Zäunen um Europa herum könnte gut und gerne eine der harmloseren Möglichkeiten sein, behauptet Kürti abschließend.

Europa habe seine Fähigkeit zur Selbstverteidigung verloren und sei zu schwach geworden, um „Zivilisation“ genannt werden zu können, lautet die von László Bogár in Magyar Hírlap geäußerte Befürchtung. (Der konservative Ökonom ist bekannt für seine Beiträge über „dunkle Mächte“, die „das Weltgeschehen aus dem Verborgenen heraus manipulieren“ – Anm. d. Red.) Im Folgenden interpretiert Bogár das Zögern der europäischen Mainstream-Eliten, den Zusammenhang zwischen dschihadistischem Terrorismus und Einwanderung anzuerkennen, als Beweis für die Unfähigkeit „europäischer weißer Männer“, existenziellen Herausforderungen zu begegnen. In Bogárs Weltbild ist die fehlende Selbstverteidigung das Ergebnis einer konsumorientierten Ideologie globaler Eliten, die laut Bogár darauf aus seien, die europäische Kultur auszulöschen, indem sie Homosexualität und Drogen propagierten.
In derselben Tageszeitung hält Sándor Faggyas fest: Der am Dienstag in Frankreich an dem Geistlichen Jacques Hamel verübte Mord beweise, dass Dschihadisten Sinnbilder der europäisch-christlichen Kultur mit Symbolcharakter ins Visier nähmen. Wie die Attacke auf Charlie Hebdo, so weise auch der Mord an dem französischen katholischen Priester darauf hin, dass islamistische Fundamentalisten den Grundfesten der europäischen Kultur den Krieg erklärt hätten, notiert Faggyas und ergänzt: Papst Franziskus liege falsch mit seiner Behauptung, es gebe keinen Religionskrieg zwischen islamistischem Terror und christlichen Europäern. Schlussendlich ruft der Autor Europa dazu auf, sich zu bewaffnen, um Leben und Kultur der Europäer zu verteidigen.

Noch einmal zu Magyar Nemzet: Auch Miklós Ugró kritisiert Papst Franziskus für dessen Aufruf an die Christen, allen Migranten bedingungslose Hilfe zukommen zu lassen. Jesus habe niemals gesagt, wir sollten dumm sein und uns ausnutzen lassen, argumentiert der konservative Kolumnist. Christen hätten die Pflicht jenen zu helfen, die Asyl bräuchten. Doch man könne von ihnen keine Unterstützung jener Migranten erwarten, deren Leben nicht gefährdet sei, die aber in der Hoffnung auf eine wohlhabendere Existenz kämen.

In Népszabadság fragt sich Gábor Miklós, was Papst Franziskus wohl mit seiner Äußerung gemeint habe, wonach es sich beim gegenwärtigen Krieg in Europa um einen religiösen handele. Miklós vermutet, dass sowohl Terroristen als auch Politiker, die versuchten, im Sinne einer totalen Machtübernahme ausländerfeindlichen Hass zu schüren, im Gegensatz zu religiösen Akteuren sehr wohl für die gegenwärtige Krise verantwortlich gemacht werden könnten.

In einer Reihe von Kommentaren kritisiert Népszava die Ansicht, wonach sich in Europa gerade ein Krieg der Kulturen entfalte. Anstatt über die religiösen Motive der Täter zu spekulieren, sollten sich die europäischen Politiker fragen, warum ihre Behörden unfähig gewesen seien, ihre Bürger vor dem Terror eines einsamen Wolfs zu schützen, empfiehlt Autor Róbert Friss. Die jüdisch-christliche Kultur sei viel widerstandsfähiger, als es die einen Religionskrieg verkündenden Angstmacher nahelegen würden, urteilt der linksorientierte Journalist. Rechte Politiker würden von einem Religionskrieg sprechen, um noch mehr Macht an sich reißen zu können, sinniert Friss.
In einem weiteren Népszava-Kommentar räumt Péter Somfai ein, dass einige der Terroristen religiös-fundamentalistisch motiviert gewesen seien. Allerdings habe es sich bei den meisten Mördern um geistesgestörte Individuen gehandelt, die nichts mit dem Islam zu tun gehabt hätten. Regierungen sollten ihre Bürger vor jeder Art von Gewalt schützen, anstatt sich lediglich auf Dschihadisten zu konzentrieren, meint Somfai.

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