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Trumps Sieg spaltet die Presse

14. Nov. 2016

In ihren Bewertungen zum Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen gehen die Meinungen ungarischer Pressekommentatoren weit auseinander. Immerhin haben viele von ihnen auch Ungarn im Hinterkopf, wenn sie über Amerika schreiben.

In Élet és Irodalom äußert sich János Széky davon überzeugt, dass Trump die russische Aggression in der Ukraine hinnehmen werde, und befürchtet, dass es für die potenziellen Bemühungen Russlands um eine Wiederherstellung seiner einstigen Einflusssphäre (zu der seinerzeit auch Ungarn gehörte) keinerlei Grenzen geben könnte. Der Autor verweist auf eine seiner früheren Stellungnahmen, wonach die ungarischen Fans von Trump Fans von Putin seien. Székey hält sie demzufolge für Verräter.

Die frühere Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Ildikó Lendvai, empfiehlt in Népszava der ungarischen Linken eine andere aus den US-Wahlen zu ziehende Lehre. So hätte die Mittelklasse, die Trump zum Sieg verholfen habe, unter anderen Umständen ein linkes Wählerreservoire sein können. Lendvai sieht zwei verschiedene Möglichkeiten, wie man den Klagen von zurückgelassenen Bevölkerungsschichten in einer Zeit zunehmender Einkommensgefälle begegnen könnte. Eine sei die von Trump, die nach Ansicht Lendvais Spaltung und Feindseligkeiten anderen gegenüber zu bieten hat. Die zweite und von der Autorin empfohlene Möglichkeit wäre ein Lösungsansatz, der andere mit einbeziehen würde. Und „wenn das nicht das ist, wofür die Linke einsteht, dann kenne ich keinen Grund für ihre Existenz“, betont Lendvai.

Zsolt Bayer von Magyar Hírlap interpretiert das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen als „Aufstand der Vernünftigen“, die der Herrschaft „des liberalen Konsenses“ Einhalt geboten hätten – und zwar ungeachtet der Tatsache, sämtliche Medien gegen sich gehabt zu haben. (Diese Tatsache veranlasst Bayer zu dem Hinweis, dass die ungarische Linke zu unrecht behaupte, faire Wahlen seien angesichts der gegenwärtigen Übermacht rechter Medien nicht möglich.) Der umstrittene Autor vergleicht die Vertreter des liberalen Konsenses mit der autoritären Oberschwester einer psychiatrischen Anstalt aus Ken Keseys Roman „Einer flog über das Kuckucksnest“ aus dem Jahr 1962. In seiner Abschlussbemerkung notiert Bayer: „Obwohl es so aussah, als würde der liberale Konsens eine Leukotomie an uns vollziehen, ist der Aufstand in allerletzter Minute dennoch geglückt.“

In Kettős Mérce widerspricht Brigi Kiss Ministerpräsident Viktor Orbán, der die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA als „Sieg der Demokratie“ bezeichnet hatte. Sie warnt vor dieser „Übertreibung“, denn Kiss glaubt, dass die Demokratie nicht einmal für Orbáns Verhältnisse gesiegt habe, da der Regierungschef Demokratie als die Herrschaft der Mehrheit definiere. Hillary Clinton habe 300.000 Stimmen mehr auf sich vereinigen können und damit das Resultat der Präsidentschaftswahl in der Bevölkerung für sich entschieden. Die Autorin zitiert einen Tweet Trumps aus dem Jahr 2012, als er schrieb: „Für eine Demokratie ist das Wahlmännergremium eine Katastrophe.“

László Bertha geißelt auf 888 all diejenigen, die im designierten Präsidenten eine Gefahr für die Demokratie sehen, wie etwa europäische Meinungsführer und die gewalttätigen Demonstranten in den Vereinigen Staaten. In Wahrheit bewiesen die Menschen, dass es sich bei ihnen um Demoraten handele, wenn sie das Ergebnis einer für ihren Kandidaten nicht siegreichen Wahl akzeptierten. Die das nicht tun würden, hätten kein Recht, als Verteidiger der Demokratie zu posieren. Abschließend äußert Bertha die Ansicht, dass der Sieg Trumps der Vorbote des Endes sein könnte – nicht der Demokratie, sondern dessen, was er als „ein liberales Meinungsmonopol“ bezeichnet.

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