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Soros versus Orbán und umgekehrt: „Du bist ein Mafioso!“

6. Jun. 2017

In der vergangenen Woche haben sich Multimilliardär George Soros und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán einen heftigen verbalen Schlagabtausch geliefert. So bezeichnete der US-amerikanische Finanzier die Orbán-Administration als „Mafiastaat“, woraufhin sich Politiker der Regierung, darunter Orbán persönlich, mit dem Vorwurf revanchierten, bei den von Soros geförderten Nichtregierungsorganisationen handele es sich um ein „Mafianetzwerk“. Vor diesem Hintergrund äußert ein regierungsnaher Kolumnist die Befürchtung, dass die gegen die Regierung gerichteten Proteste demnächst in Gewalt umschlagen könnten. Ein linksorientierter Kommentator dagegen bezeichnet die Rhetorik der Regierenden als Furcht einflößend.

In einem von der liberalen Wochenzeitung Heti Világgazdaság übernommenen Artikel zur Zukunft der Europäischen Union äußert George Soros die Hoffnung, dass die Anziehungskraft integrationskritischer Politiker und Parteien demnächst nachlassen werde und die EU ihre Dynamik wiedergewinnen könne. Der ungarisch-amerikanische Milliardär und Philanthrop schreibt: „Orbán stellt sein politisches Handeln als einen persönlichen Konflikt mit mir dar und macht mich zum Ziel einer unerbittlichen Propagandakampagne seiner Regierung.“ Soros zeigt sich überrascht über das Ausmaß der Proteste von Basisbewegungen zur Verteidigung der Central European University und gegen „die Korruption des von Orbán geschaffenen Mafiastaates“.

In seiner regelmäßig am Dienstag abgehaltenen Pressekonferenz wies der für das Amt des Regierungschefs zuständige Minister die Vorwürfe zurück. Dabei bezeichnete „Kanzleramtschef“ János Lázár die Äußerungen von George Soros als eine Beleidigung der Ungarn. Vielmehr sei es das Soros-Netzwerk, das wie die Mafia funktioniere. Am Freitag legte Ministerpräsident Viktor Orbán nach und erklärte, dass es sich bei dem Soros-Artikel zweifellos um eine „Kriegserklärung“ handele. In seinem zweiwöchentlichen Frühinterview mit dem staatlichen Kossuth Rádió verglich auch der Premier das Netzwerk des Milliardärs mit der Mafia. Sowohl die Europäische Union als auch die ungarischen Sozialisten wollten den Plan Soros’ verwirklichen, der den Import von Migranten vorsehe, behauptete der ungarische Regierungschef am Freitag.

Ebenfalls am Freitag ließ Magyar Idők namentlich nicht genannte Quellen zu Wort kommen. Demnach würden von Soros finanzierte NGOs eine neue Protestwelle lostreten, um Druck auf die Orbán-Regierung auszuüben und „das Land zu destabilisieren”. Laut der regierungsnahen Tageszeitung würden die NGOs Verwaltungsgebäude der Regierung besetzen und Änderungen des Wahlrechts fordern. Sollte die Regierung diesen Forderungen nicht nachkommen, würden die von Soros finanzierten NGOs eine Kampagne des zivilen Ungehorsams starten. Magyar Idők interpretierte den von Heti Világgazdaság verbreiteten Soros-Artikel als Vorboten der potenziell gewalttätigen Protestwelle.

„Uns steht ein heißer Herbst bevor“, orakelt Magyar Idők-Chefredakteur Ottó Gajdics. Nachdem es ihnen nicht gelungen sei, mit Hilfe friedlicher Demonstrationen eine massenhafte Unzufriedenheit auszulösen, würden regierungskritische Aktivisten und Organisationen Straßen blockieren und Regierungsgebäude besetzen, spekuliert Gajdics in seinem Kommentar und ergänzt: Je verzweifelter sie würden, um so mehr dürften sie auf Provokationen und aggressive Methoden setzen, um die Menschen gegen die Regierung zu mobilisieren. Die radikalen Proteste würden von George Soros finanziert und von führenden Linksintellektuellen unterstützt. Schließlich ruft Gajdics die Anhänger der Regierung auf, sich auf die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit vorzubereiten.

Der ehemalige Chefredakteur von Népszava, Péter Németh, sieht in der Stellungnahme Ministerpräsident Orbáns zur „Kriegserklärung“ durch George Soros ein zusätzliches Hochfahren des von ihm bereits eingenommenen Kampfmodus. „Werde ich zum Verräter erklärt, weil ich mit Soros einer Meinung bin, dass die offene Gesellschaft verteidigt werden muss?“, fragt sich der linksgerichtete Publizist. Beim Kampf der Regierung gegen die von Soros finanzierten NGOs handele es sich um eine auf Demagogie gründende Kampagne. Németh bezeichnet die von Regierungschef Orbán benutzte neue Sprache als zunehmend kriegerisch und furchteinflößend. Offensichtlich könne man von der Regierung keine versöhnlicheren Töne mehr gegenüber kritischen NGOs erwarten, resümiert Németh.

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